Karl Engler

Verwandtschaft zu Max Günsberg: Onkel zweiten Grades, Sohn von Max´ Großtante Klara Engler
Karl Engler Juli 1939 in Basel

Karl Engler wurde am 24.10.1889 in Walawa im Gerichtsbezirk Kotzmann im damals (bis 1918) österreichischen Kronland Bukowina als Sohn von Isaak und Klara Engler geboren. Der Ort heisst heutzutage Valyava und liegt in der Ukraine rund 20km nördlich von Czernowitz.

Im Jahr 1911 ist unter den Absolventen des k.k. I. Staatsgymnasiums von Czernowitz ein Kasriel Engler angeführt, der das Studium der Rechte anstrebte. Dabei könnte es sich um Karl handeln. 

In Czernowitz arbeitete er vorerst als Kanzlist. Im Jahr 1914 kam er mit seinen Eltern und Geschwistern nach Wien. Hier absolvierte er eine Handelshochschule und begann an der Universität Wien mit dem Jus-Studium, das er kurz nach Ende des ersten Weltkrieges abschloss und 1919 zum Doktor beider Rechte promoviert wurde.

Ihm sowie seinen Brüdern Alfred und Salomon war es um 1920 im Gegensatz zu Leon gelungen, mittels Option die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten (siehe den entsprechenden Absatz auf der Seite der Familie Engler). Danach kehrte er jedoch noch einmal in die Bukowina zurück, lebte in Suzawa, und stellte am 19.05.1922 das Ansuchen zur Streichung seiner österreichischen Staatsbürgerschaft. Möglicherweise war das eine Trotzreaktion auf das abgewiesene Optionsansuchen seines Bruders Leon Engler, da im WStLA (Wiener Stadt u. Landesarchiv) die beiden Akte von Leon und Karl zusammen gereiht aufliegen. Jedenfalls überlegte er sich das schnell wieder und zog sein Ansuchen im Juli 1922 wieder zurück, erhielt auch die entsprechenden Dokumente wieder und blieb also Österreicher.

In seiner Familie als promiskuitiv bekannt, erkrankte er im Jahr 1932 an der Geschlechtskrankheit Lues (Syphillis). Die von Wiener Ärzten behandelte und danach konzedierte vollständige Heilung sollte sich im Schweizer Exil im Jahr 1954 als doch nicht vollständig erweisen, was eine erneute Behandlung notwendig machte. Karl Engler gab diese Infektion als Grund für eine nie erfolgte Verehelichung an.
Laut Angaben seines Großneffen Andre Gingrich (Enkel von Berta Engler-Seliger) hatte er in Wien auch eine Partnerin, mit der er einen Sohn zeugte. Zu diesem bekannte er sich allerdings offenbar nicht und verließ diese Familie früh. Er galt daher künftig als das "schwarze Schaf" der Familie. Es sind über diese Wiener Partnerschaft oder Geburt auch keinerlei Daten zu finden. Andre Gingrich hatte 1985 noch eine Begegnung mit Karl Englers aus besagter Beziehung stammenden Sohn in Tel Aviv, danach aber keinen Kontakt mehr und konnte sich an dessen Namen auch nicht mehr erinnern.

Mit seiner fundierten Ausbildung als Jurist arbeitete er einige Jahre bei großen Bankinstituten wie der Unionbank (die 1927 verkauft und aufgelöst wurde) und dem Wiener Bankverein (der 1934 mit der Creditanstalt fusionierte) in der Buchhaltung und Korrespondenz-Abteilung.

Im Jahr 1934 arbeitete er für drei Monate als Beamter bei der Vaterländischen Front, der aus dem österreichischen Bürgerkrieg hervorgegangenen faschistischen Einheitspartei.
Danach war offenbar kein Job mehr zu finden und er besserte sein kärgliches Einkommen mit Nachhilfestunden in Englisch auf.

      

Als Berufsbezeichnung gab er zu dieser Zeit "Bürobesitzer" an und lebte zunächst in der elterlichen Wohnung in der Radetzkystraße 10. Von 1926 bis zum 24.04.1929 wohnte er in 1020 Wien, Hillerstraße 5, und dann bis zu seiner Auswanderung 1938 wieder bei seiner Mutter in der Radetzkystraße 10.

Am 12. Mai 1938 füllte er einen Auswanderungsfragebogen aus. Als ausländische Verwandte gab er eine Tante namens Bertha Engler sowie einen Cousin seiner Mutter Klara namens Simon Engler an, die beide in New York wohnten, auf seine brieflichen Anfragen jedoch nicht geantwortet hätten.

Auf dem Fragebogen hatte er auch prominente Referenzen angegeben, die ihm in der Folge scheinbar zugute kamen. Trotz seiner präkeren finanziellen Lage war es ihm möglich, noch im Juli 1938 legal über Rom in die Schweiz nach Basel auszureisen. Er gab anfangs auch hier Englisch-Nachhilfe, und kehrte später nicht mehr nach Wien zurück. Im Jahr 1939 war Karl Engler in Basel die erste Anlaufstelle nach der abenteuerlichen Flucht von Willi Krumholz sowie Kurt und Fabian Seliger. Aufgrund der Tatsache, dass seine Schwester Berta Engler-Seliger offenbar als einzige der Familie nach seiner unstatthaften Beziehung in Wien nicht mit ihm gebrochen hatte, stellte er sich bei den Schweizer Behörden als DER entscheidende Bürge für die Flüchtlinge zur Verfügung.

Er wohnte in Basel 1938 in Untermiete in der Mittleren Straße 111, ab 1956 dann ebenfalls in Untermiete in der Schweizergasse 43 bei Familie Urbach und 1965 schließlich Klaragraben 101. Als mittelloser Emigrant wurde er von 1938 bis 1955 durchgehend von der schweizerischen Flüchtlingshilfe erhalten, danach konnte er eine nicht näher beschriebene, offenbar bescheiden dotierte, Anstellung ausüben. Seine freiberufliche Karriere als Englisch-Nachhilfelehrer und Übersetzer führte er ebenfalls fort und konnte dadurch gute Kontakte ins gehobene Basler Bürgertum knüpfen.

Im November 1953 reiste er in die USA um seinen dorthin ausgewanderten Bruder Leon Engler zu besuchen.


Im Jahr 1955 erhielt Österreich durch den Staatsvertrag seine Souveränität wieder. Eine Bedingung dieses Vertrages bestand in der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus, die nicht mehr nach Österreich heimgekehrt waren. Die zu diesem Zeitpunkt bereits heimgekehrten Personen wurden diesbezüglich hingegen bereits durch das Opferfürsorgegesetz von 1947 berücksichtigt, wie dies zum Beispiel bei Max Günsberg der Fall war.

In Ausübung der durch den Staatsvertrag auferlegten Verpflichtung wurde, nach Verhandlungen des Claims Committee mit der österreichischen Bundesregierung, vom österreichischen Nationalrat am 18.01.1956 der "Fonds zur Hilfeleistung an politisch Verfolgte, die ihren Wohnsitz und ständigen Aufenthalt im Ausland haben" beschlossen. Die Begünstigten sollten je nach Schwere der Verfolgung oder des gesundheitlichen Schadens mit einer einmaligen Zuerkennung zwischen ÖS 5.000,00 und ÖS 30.000,00 entschädigt werden.

Die Halbherzigkeit dieser Regelung zeigt sich unter anderem an der Bedingung, dass ein Antrag für diese Entschädigung innerhalb eines Jahres ab Erlass des Gesetzes gestellt werden musste. Viele Geflüchtete hatten selbstverständlich keine Kenntnis von in Österreich neu erlassenen Gesetzen und wurden so ihrer Ansprüche verlustig.

Der in Rechtsfragen versierte und bestens informierte Karl Engler hingegen stellte zeitgerecht am 01.09.1956 einen Antrag. Er machte dabei seine psychische Beeinträchtigung aufgrund der Flucht und dem Verlust vieler Familienmitglieder geltend. Bei der im Zuge des Verfahrens erfolgten ärztlichen Beurteilung wurde er als Mann mit grazilem Körperbau (153cm/52kg incl. Kleidung) beschrieben. Die festgestellten Beeinträchtigungen ergaben eine zumindest 80%ige Erwerbsunfähigkeit. Er selbst gab als Symptome seiner Krankheit Vergesslichkeit und Schlafsucht an   

Obwohl ein Zusammenhang mit der Verfolgung nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, wurde Karl Engler am 10.09.1957 von der Zuerkennungskommission aufgrund seiner erheblichen Erwerbsunfähigkeit als entschädigungswürdig anerkannt und in die Entschädigungsgruppe C/E gereiht, da er noch einer, wenn auch geringfügigen, Beschäftigung nachging.
Gegen diesen Bescheid erhob der mittlerweile 66-jährige Karl Engler am 17.10.1957 Einspruch und brachte es in der Folge tatsächlich zuwege, in einer Sitzung der Zuerkennungskommission am 20.12.1957 als Härtefall klassifiziert und in die Gruppe B(a) hochgereiht zu werden. Ob ihm dabei seine Kontakte zugute kamen ist nicht bekannt. Durchaus möglich erscheint eine Verbindung zum Leiter des Fonds Dr. Georg Weis, der einige Jahre vor Karl Engler so wie dieser in Wien zum Doktor der Rechte promovierte. Jedenfalls wurde Karl daraufhin mit der höchstmöglichen Summe von ca.  ÖS 30.000,00 entschädigt.

[Seine entfernte Verwandte Freude/Frieda Günsberg, die Frau von Baruch Günsberg, hatte dabei weniger Glück. Die nach England geflüchtete Frieda wurde lediglich mit ÖS 5.000,00 bedacht]


Seine Schwester Berta Engler-Seliger, die er nach dem Krieg fast jährlich für einige Wochen in Wien besuchte  witzelte laut Angaben ihres Enkels Andre Gingrich bis in die 1960er-Jahre über mögliche Nachkommen in der Schweiz, ..."da man bei Onkel Karl ja nie genau wisse...".

Um das Jahr 1972 starb Karl Engler in Basel.


Karl Engler 1939

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