Leon Engler

Verwandtschaft zu Max Günsberg: Onkel zweiten Grades, Sohn von Max´ Großtante Klara Engler
Cilli Engler 1945 Leon Engler 1945 Lilly Engler

Leon/Leib Engler wurde am 02.01.1886 in Walawa im Gerichtsbezirk Kotzmann im damals (bis 1918) österreichischen Kronland Bukowina als Sohn von Isaak und Klara Engler geboren. Der Ort heisst heutzutage Valyava und liegt in der Ukraine rund 20km nördlich von Czernowitz. So wie seine Mutter Klara lernte er in der Bukowina, diesem Schmelztiegel verschiedener Kulturen, polnisch, ruthenisch (ukrainisch), deutsch und natürlich jiddisch. Er heiratete am 22.01.1911 in Czernowitz Cäcilie/Cilli Reifler (*20.05.1890 in Czernowitz). Das Paar bekam am 31.08.1912 in Czernowitz einen Sohn namens Bruno.

Bis September 1914 lebte die Familie von Leon Engler in Czernowitz in der Franzosgasse 10, unweit von seinen Eltern (Franzosgasse 20). Anschließend zog man mit den anderen Englers nach Wien und lebte dann an der Adresse von Leons Eltern in 1030 Wien, Radetzkystraße 10. Dort bekamen sie am 15.07.1918 eine Tochter namens Lilly. Augenscheinlich wurde es dadurch bei Leons Mutter Klara in der Radetzkystraße zu eng und man bezog eine neue Wohnung in 1070 Wien, Zollergasse 14, und lebte dort bis 1938.

Option zur Staatsangehörigkeit

Die vier Engler-Brüder Leon, Salomon, Karl und Alfred suchten nach dem ersten Weltkrieg und dem folgenden Zerfall der Habsburger-Monarchie um die österreichische Staatsangehörigkeit an, indem sie für diese "optierten" (siehe die damit einhergehende Problematik und den entsprechenden Absatz auf der Seite der Familie Engler). Leon stellte seinen Antrag am 09.01.1921. Im Gegensatz zu seinen drei Brüdern wurde ihm diese jedoch am 09.08.1921 verwehrt. Unter Bezugnahme auf die erfolgreichen Anträge seiner Brüder forderte er eine Wiederaufnahme des Verfahrens am 12.07.1922, das aber ebenfalls am 07.09.1922 negativ beschieden wurde. Sein Bruder Karl wollte offenbar aus Protest seine österreichische Staatsbürgerschaft wieder ablegen, besann sich jedoch kurz darauf und tat alles um sie zu behalten. Mit Hilfe seines juristisch versierten Bruders Karl versuchte Leon es am 28.10.1922 ein weiteres Mal, aber auch dieser Antrag wurde am 25.11.1922 abgelehnt. Leons Argumentation in seinen Anträgen sprach exakt den problematischen Artikel 80 und dessen unglückliche Übersetzung des Begriffes "race" im Friedensvertrag von St. Germain an:


Leon arbeitete als Kaufmann und versuchte offenbar mehrmals eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Um 1925 hatte er laut Wiener Adressbuch eine Manufakturhandlung im ersten Bezirk, Fischerstiege 7. [Klick] für Bild in voller Auflösung

Fischerstiege 7

Dieses kleine Gassenlokal veräußerte er bereits 1926 wieder und war danach gemeinsam mit Adolf Feuer Teilhaber der Firma "Feuer und Engler", deren Gegenstand das Kleidermachergewerbe im zweiten Bezirk, Taborstraße 22, war.

Aber auch diese Geschäftsidee war nicht sehr lange erfolgreich. Bereits am 20.01.1927 musste ein Ausgleich angemeldet werden. 

Um 1930 betrieb er eine Delikatessenhandlung in 1160 Wien, Neulerchenfelderstraße 32.


Leon füllte am 16.05.1938 einen Auswanderungsfragebogen aus. In der Zeit danach gelang es ihm mit seiner Frau Cilly und Tochter Lilly in die Schweiz zu gelangen. 1939 wohnte die Familie in Zürich, in der Stampfenbachstraße 63. Während Tochter Lilly direkt in die USA auswandern konnte, mussten Leon und Cilly voerst nach Havanna, Kuba, reisen und wurden dort von Leons Freund Meyer Billg in der Cuba Street 62 beherbergt.
Schließlich wanderten Leon und Cilli am 03.03.1940 an Bord der S.S. „Siboney“ von Havanna nach New York aus. Dort kamen sie vorerst bei ihrer bereits dort wohnhaften Tochter Lilly Engler in 126, West 77th street, unter.

Leon arbeitete in den USA bei einem Geschäft namens Derby Sportswear und wurde 1942 in den USA als "old man" Reservist der Army registriert. Cilli und  Leon erhielten die ersehnte amerikanische Staatsbürgerschaft am 24.04.1945.

Nachdem seine Frau Cilly am 22.02.1953 in New York verstorben war, ist Leon wieder nach Österreich zurückgekommen und wohnte in 1140 Wien, Breitenseerstraße 20. Im November 1953 reiste er noch einmal in die USA zurück und traf sich hier offenbar mit seinem Bruder Karl Engler, der zeitgleich aus Zürich anreiste. Er starb am Semmering am 15.05.1955 und ist in Wien begraben.


Leons Kinder


Leons Sohn Bruno Engler wurde am 31.08.1912 in Czernowitz geboren und kam mit seinen oben angeführten Eltern 1914 nach Wien. Bruno war Jurist und als Autor tätig, hatte als solcher die Idee zu einem musikalischen Lustspiel und schrieb mit Fred Heller gemeinsam das Buch zu "Das Ministerium ist beleidigt", das am 22.12.1937 in der "Komödie", 1010 Wien, Johannesgasse 4, seine Uraufführung erlebte. Das Stück erntete großartige Kritiken und war in der Folge sehr erfolgreich.

Bis in die 1950er Jahre lief dieses Lustspiel in Wiener Theatern und wurde 1954 sogar unter Federführung von Gerhard Bronner mit Georg Thomalla verfilmt.


Mutmaßlich lernte Bruno bereits in Wien die Schauspielerin Julia Feuering - Liebling (*10.12.1908 in Augustowka, Brzezany, Polen) kennen. Julia war eine uneheliche Tochter von Sara Feuering (*05.06.1867), die später Salomon Liebling (*25.10.1893) heiratete. Ungewöhnlich daran erscheint zum einen, dass sie bei der Geburt ihrer Tochter Julia bereits 41 Jahre als war und zum anderen, dass ihr späterer Mann Salomon Liebling immerhin 26 Jahre jünger als sie war. Julia und ihre Familie lebten seit den 1920er Jahren in 1160 Wien, Fröbelgasse 19. Salomon Liebling betrieb mit seinem Bruder Wilhelm (*21.12.1900) unter dem eingetragenen Firmennamen "Gebrüder Liebling" ab 1924 einen Gemischtwarenhandel. Salomon und seine Stieftochter Julia konvertierten 1923/1924 ebenso wie Salomons Bruder Wilhelm im Jahr 1926 zum Christentum.

Julia Liebling 1930 Zeitschrift Die Bühne Heft 270 S.36

Julia erhielt offenbar durch Vermittlung ihres Onkels (H. Goldstein) 1937 eine Berufung als Schauspielerin an das Mc Kinley Square Theatre in der Boston Road in der New Yorker Bronx (wurde 2002 abgerissen). Bei ihrer Ankunft in New York wurde allerdings ihr in Wien ausgestelltes Visum als polnischer Staatsbürgerin offenbar nicht anerkannt, sodass sie nach Kuba weiterreisen musste.

Bruno und seine Eltern Leon und Cilly sowie Schwester Lilly emigrierten 1938 nach Zürich. Im Dezember 1938 schiffte er sich in La Rochelle ein und folgte nunmehr seiner Julia an Bord des Dampfers Oropesa nach Kuba. Bruno und Julia heirateten am 29.05.1939 in Havanna. Durch diese Heirat erhielt Julia die österreichische Staatsbürgerschaft (jedenfalls gab sie dies so in ihrem US-Einbürgerungsantrag an) und die beiden setzten am 28.02.1940 von Havanna nach Key West über, die Einwanderungsmodalitäten erfolgten in Miami. Zwischen 1939 und 1942 bemühte sich die Familie wohl auch um eine Ausreise der verbliebenen Familienmitglieder, zu diesem Zweck sandte Brunos Schwester Lilly Engler (siehe unterhalb) einen Geldbetrag über das jüdische Auswanderungsbüro in New York. Die Bemühungen blieben jedoch erfolglos. Julias Mutter Sara Liebling wurde 1942 zunächst nach Terecin (Theresienstadt) und kurze Zeit später nach Treblinka deportiert und ermordet. Ihr Stiefonkel Wilhelm wurde ebenfalls 1942 nach Maly Trostinec deportiert und ermordet. Salomon Lieblings Schicksal ist unbekannt.

In der Folge zogen Julia und Bruno nach Los Angeles. Bruno wurde am 07.01.1944 zur US Army als Reservist einberufen. Bereits im Februar 1944 wurde er krankheitshalber in ein Armee-Spital eingeliefert und rund ein Monat danach im März 1944 aufgrund dieser Krankheit vom Armeedienst freigestellt. Am 25.08.1944 wurde Bruno Engler schließlich in den USA eingebürgert. Julia stellte ihren Einbürgerungsantrag am 15.12.1944.  Bruno und Julia übersiedelten später wieder nach New York und besuchten die alte Welt nach 1945 öfters:
Am 29.12.1951 reisten Bruno und Julia Engler an Bord der berühmten "Queen Elisabeth" nach Europa um hier mehr als 1,5 Jahre zu bleiben; am 06.08.1952 ging es an Bord der "Liberté" wieder retour nach New York.
Am 01.07.1954 erfolgte eine erneute Überfahrt nach Europa an Bord der "Andrea Doria", die einige Jahre später traurige Berühmtheit erlangen sollte. Nach einem ausgiebigen Aufenthalt erfolgte erst am 17.01.1956 an Bord der "S.S. America" die Überfahrt nach New York.

Bruno Engler starb am 18.06.1980 in Los Angeles. Seine Frau Julia überlebte ihn um etliche Jahre und starb am 21.06.2006 im stolzen Alter von 98 Jahren in Flushing, Queens, NY. Es gibt keine Hinweise auf Nachkommen von Bruno und Julia.



Leons Tochter Lilly Engler wurde am 15.07.1918 in Wien geboren. Lilly war als junges Mädchen bereits sehr kreativ, wovon Gedichte zeugen, die sie bereits im zarten Alter von 12 Jahren schrieb und die im Kinderteil der Zeitung "Neues Wiener Tagblatt" sogar veröffentlicht wurden.
Gedicht von Lilly Engler im Neuen Wiener Tagblatt 06.12.1930
Gedicht Lilly Engler 03.10.1931


In der Schule lernte Lilly englisch und französisch und schloss mit Matura ab. Nach der Schule absolvierte sie zunächst eine Schneiderlehre und in der mitteleuropäischen Diätkostzentrale, 1080 Wien, Alserstraße 7, eine Ausbildung zur Diätköchin. Anschließend oder auch parallel dazu begann sie offenbar noch ein Studium in Prag. Zudem war sie der ungarischen Sprache mächtig.

Im Zuge der Auswanderung kam Lilly wie ihr Bruder Bruno ebenfalls über Zürich und Le Havre per Schiff am 04.05.1939 in New York an und wohnte zunächst bei einem Cousin Dr. David E. Engler in 258 Broadway.
Ihre erste eigene Wohnung war danach in 126, West 77th street, wo sie im März 1940 ihre über Havanna nachgereisten Eltern Leon und Cilly aufnahm.
Lilly wurde am 11.05.1945 amerikanische Staatsbürgerin.

Im Jahr 1950 betrieb sie ein Foto-Geschäft in Manhattan und lebte laut der US-Volkszählung vom 1. Mai 1950 in Manhattan, 20, East 74th Street App. 14D als Mieterin bei einer aus Utah stammenden Dame namens Gloria Bamberger.

Lilly strebte in New York eine Karriere als Opernsängerin an, die nicht zustande kam. Stattdessen wurde sie Psychiaterin und zählte die größten Opernstars zu ihren Patienten, unter anderem die weltberühmte, aus Österreich stammende Mezzosopranistin Christa Ludwig, die auch zu ihrem persönlichen Freundeskreis zählte. Ihre Großnichte Diana Krumholz-McDonald, eine Enkelin von Lillys Tante Fani Engler-Krumholz, erinnerte sich an zahlreiche große Parties, zu der auch sie als Halbwüchsige bei Lilly Engler eingeladen war. Posthum wurden Lillys offenbar zahlreichen lesbischen Affären bekannt, darunter ihre leidenschaftliche Beziehung zu einer prominenten Vertreterin der Frauenbewegung, Adrienne Rich. Lilly war die geheimnisvolle Geliebte in Rich´ „Twenty-One Love Poems“ und in ihrer Biographie ist Lilly Engler als ihre erste gleichgeschlechtliche Beziehung angeführt. Zu Lebzeiten konnte Lilly diese Beziehung nicht publik machen, da sie wohl ihre Zulassung und auch ihre Praxis verloren hätte. Lilly Engler starb am 15.03.1999 in New York.

Leon und Cilli Engler Lilly und Bruno Engler


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