Salomon Engler wurde am 01.07.1887 in Walawa im Gerichtsbezirk Kotzmann im damals (bis 1918) österreichischen Kronland Bukowina als Sohn von Isaak und Klara Engler geboren. Der Ort heisst heutzutage Valyava und liegt in der Ukraine rund 20km nördlich von Czernowitz.
Salomon Engler kam mit seinen Eltern und Geschwistern 1914 nach Wien.
Er heiratete am 30.11.1918 in Wien Olga Sametz (*30.08.1895), die Ehe wurde jedoch am 14.01.1931 wieder geschieden und Olga heiratete in Wien 1933 erneut Dr. Phoebus Tuttnauer (*19.01.1890). Dieses Paar konnte 1939 nach England auswandern. Phoebus Tuttnauer starb im November 1965, seine Frau Olga Tuttnauer starb in Chelsea im August 1975.
Zunächst wohnte Salo bei Englers in der Radetzkystraße 10, ab etwa 1920 bis 1933 dann in 1020 Wien, Ausstellungsstraße 23.
Nachdem er am 04.04.1923 noch als Gesellschafter in der Firma seines Schwagers Josef Krumholz (dem Mann seiner Schwester Fani Engler) eingetragen wurde, betrieb Salomon einen Tuchwarenhandel in 1010 Wien, Laurenzerberg 5. Am 08.11.1925 wurde er Opfer von Ladendieben, wusste sich jedoch zu wehren:
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise musste sein Geschäft jedoch am 14.05.1931 Ausgleich anmelden.
Danach arbeitete er von 1933 bis 1936 als freier Mitarbeiter und Korrepondent für das "Neue Wiener Journal" in Palästina und versuchte dort auf eigene Initiative für die schnell wachsende deutschsprachige Community in Tel Aviv den Vertrieb der Zeitung aufzubauen. Dort heiratete er auch seine zweite Frau Alice Chaja Engler, geborene Klopper (*01.06.1914 in Wien).
Im Sommer 1936 wurde Alice in Palästina schwanger. Da sie sich allerdings sträubte dort zu entbinden ("...bei denen hier entbinde ich nicht...") erfolgte am 16.09.1936 eine Rückkehr nach Wien und das Paar wohnte nunmehr bei Alices Eltern in 1020, Blumauergasse 22/18. An dieser Adresse erinnert heute ein Stein der Erinnerung an Familie Klopper.
Wegen einer Gefällsübertretung (Finanzdelikt, wahrscheinlich bei der Einreise aus Palästina) saß Salomon von 28.09.1936 bis 13.01.1937 eine Gefängnisstrafe ab.
Am 17.04.1937 kam der gemeinsame Sohn Peter im "Entbindungsheim der Stadt Wien-Brigittenau" in 1200 Wien, Stromstraße 34, zur Welt.
Nach Wien zurückgekehrt wurde Salomon bei der Zeitung "Neues Wiener Journal", für die er ja bereits vorher als freier Mitarbeiter tätig gewesen war, fix angestellt und war laut Zeugnis von 15.02.1937 bis 15.05.1938 (also immerhin volle zwei Monate nach dem Anschluss, länger als die meisten Juden) als Acquisiteur, im Abonnentgeschäft und für den "Kleinen Anzeiger" beschäftigt.
Am 17.06.1938 füllte er einen Auswanderungsfragebogen aus und bekundete seine Absicht, mit seiner Familie nach Palästina auszuwandern.
Das Foto unterhalb zeigt die Familie Klopper zu Peters zweitem Geburtstag am 17.04.1939.
Von links nach rechts: Hedi Klopper, Rudolf Klopper, Otto Klopper, Peter Engler, Salomon Engler, Szeren (Sara) Klopper, Alice Engler
Nachdem sie die Einberufung zur Deportation nach Polen erhalten hatten, flüchteten Salomons Schwiegereltern Rudolf und Sara Klopper am 24. Februar 1941 von Wien nach Budapest. Einige Tage später wurde Rudolf Klopper von der Polizei in Budapest verhaftet und in ein Sammellager überstellt. Dort verblieb er bis Ende 1941 und wurde dann nach Czortkow, Galizien, deportiert. Die letzte Karte von Rudolf Klopper an seine Frau Sara, die, als Christin getarnt, in einem Kloster überlebte, schrieb er am 15.1.1942:
„Meine Lieben! Habe heute deine Karte erhalten, und habe vor Freude einen Weinkrampf bekommen. Ich kann Dir nur schreiben dass ich nichts zum Anziehen habe. Ich erwarte mit Ungeduld von Euch ein Paket. Schreibe sehr bald. Es küsst Euch Euer Rudi."
Rudolf Klopper starb im Holocaust.
Die Kinder wurden in alle Welt zerstreut: Margit Klopper flüchtete bereits im Juli 1938 nach Südamerika (Montevideo), Hedi Klopper im Mai 1939 nach England, und Otto Klopper, der jüngste Sohn, 1939 in die USA.
Salomon und Alice samt dem kleinen Peter flüchteten am 03.09.1940 aus Wien. Die abenteuerliche Geschichte der Flucht von über 4.000 Wiener Juden nach Palästina wurde 2002 im Dokumentarfilm Atlantic Drift (deutscher Titel "Die Irrfahrt der Atlantic"), unter anderen auch mit Peter Engler als Darsteller, verfilmt. Er selbst beschrieb die Flucht so:
„Meine Eltern sind mit mir am 2. Sept. 1940 illegal nach Palästina geflüchtet. Wir waren 83 Tage auf Schiffen: 11 Tage auf der SCHÖNBRUNN (D.D.S.G.- Dampfer) entlang der Donau bis Tulsa, und 72 Tage auf der ATLANTIC bis Haifa. Die Engländer wollten uns nicht an Land lassen, sondern mit der PATRIA nach Mauritius deportieren. Die PATRIA wurde aber von der Hagana gesprengt (Anm.: um die Überführung der jüdischen Passagiere nach Mauritius zu sabotieren; die Sprengstoffmenge war jedoch falsch berechnet wodurch das Schiff sank und 267 Menschen starben) und ging unter. Wir haben uns gerettet. Mein Bruder Uri war auf der ATLANTIC am 24.10.1940 in Kreta geboren worden. Er war erst 32 Tage alt, als die PATRIA [am 27.11.1940] untergegangen ist.“
Salomon Engler starb bereits am 07.01.1947, er erlebte also die Staatsgründung Israels (1948) nicht mehr. Nach seinem Tod sah sich Alice nicht mehr in der Lage ihre Kinder zu versorgen, Peter und Uri wuchsen daher in einem Versorgungsheim auf.
Alice Engler wurde 80 Jahre alt, sie starb am 14.12.1993.
Peter Engler bekam in Palästina während seiner Schulzeit seinen zusätzlichen Namen Zeev (nach dem Vater seiner Großmutter), heiratete bereits als sehr junger Mann und gründete mit seiner Frau Chana eine Familie, der drei Kinder und neun Enkel sowie bereits zahlreiche Urenkel entstammen. Den Namen Israel, den er in Wien wie alle Juden 1939 zwangsweise annehmen musste, trägt er noch heute mit Stolz. Während seines Militärdienstes war Peter Engler in den 1950er Jahren als Flugzeugmechaniker tätig, hauptsächlich auf der Douglas Dakota (militärische Version der DC-3) und auch fallweise bei fliegerischen Einsätzen dabei. Danach arbeitete er einige Zeit in der Luftfahrtindustrie und wurde schließlich ein erfolgreicher Geschäftsmann (Hamenia Pumps Ltd in Tel Aviv. Dieser Betrieb wird nunmehr nach wie vor von Peter und Chanas Sohn, der natürlich nach Peters Vater Shlomo benannt ist, geführt. Zahlreiche Hotels in Tel Aviv sind mit Pumpen dieser Firma ausgestattet). Im Jom Kippur Krieg 1973 wurde Peter Engler praktisch unmittelbar aus er Synagoge einberufen und war am Sinai eingesetzt.
Heute (2022) ist er ein arrivierter Pop-Art-Künstler und lebt ebenso wie sein Bruder Uri nach wie vor in Tel Aviv. Er ist 2022 übrigens das letzte noch lebende Familienmitglied, das Max Günsberg in dessen Wiener Jugendjahren 1937/38 noch gesehen haben muss. Freilich kann er das nicht wissen, da er ja damals erst ein Jahr alt war.
Er hatte bis zu dessen Tod 2002 engen Kontakt zu Wilhelm Krumholz, dem Sohn von Fani Krumholz-Engler, und dessen Familie, sowie zu Karl Engler und dessen unehelichem Sohn und auch zur Familie von Berta Seliger-Engler.
Am 08. Mai 2023 hatte ich mit meiner Familie die Ehre Peter Engler und seine charmante Frau Chana in Tel Aviv zu treffen. Seine Erzählungen waren unfassbar spannend und informativ. Überdies bot dieses Treffen Gelegenheit, unser etwas kompliziertes Verwandtschaftsverhältnis zu erhellen: meine Urgroßmutter Pessi Singer-Engler war die verwitwete Schwägerin von Peters Großmutter Klara Engler. Sie wohnten jedoch mit ihren jeweiligen Familien jahrzehntelang praktisch Tür an Tür in der Radetzkystraße 10 und hatten offenbar sehr engen Kontakt. Davon geben auch die Bilder des Familientreffens auf den Seiten der Familien Günsberg und Engler Zeugnis, obwohl Salo mit seiner Familie zumindest bei diesem Treffen nicht dabei war.
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Salomon und Alice Tel Aviv Mai 1935 | Alice Engler Tel Aviv 17.09.1936 | Alice und Salomon Oktober 1936 |
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Alice, Peter, Uri und Salomon 08.05.1943 | Uri, Salomon und Peter 08.12.1945 | Alice, Uri, Peter und Salomon Mai 1944 |
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Alice und Salo Tel Aviv Oktober 1936 |