Familiensitz der Familie von Ilona Blime Netzer von ca. 1900 - 1944
Die Familie von Ilona Blime Netzer, der ersten Frau von Max Günsberg, stammte aus Balassagyarmat, einer ungarischen Kleinstadt unmittelbar an der slowakischen Grenze rund 80km nördlich von Budapest. Die Stadt hatte eine große jüdische Gemeinde, die Mitte des 18. Jahrhunderts eine bedeutende Jeschiwa sowie Mitte des 19. Jahrhunderts eine der prächtigsten Synagogen Europas erhielt.
Synagoge von Balassagyarmat, erbaut 1866. Die Synagoge wurde von deutschen Truppen ab April 1944 zunächst als Munitionsdepot genutzt und während des Rückzuges der deutschen Wehrmacht im Dezember 1944 gesprengt. 1950 erfolgte die Beseitigung der Ruine.
Zu Beginn des 2. Weltkrieges im Jahr 1939 war Ungarn als Verbündeter Deutschlands nicht von den Deportationen und der Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Mittel- und Osteuropa betroffen, wenn auch der alltägliche Antisemitismus, den die Juden lange gewohnt waren, sehr verbreitet und offensichtlich war. Dies änderte sich schlagartig mit dem Einmarsch deutscher Truppen am 19. März 1944. Innerhalb weniger Monate wurden fast 70% der über 800.000 ungarischen Juden, also weit über eine halbe Million, vornehmlich im Vernichtungslager Auschwitz, ermordet.
Unmittelbar nach dem deutschen Einmarsch begannen in rascher Abfolge antijüdische Maßnahmen, so zum Beispiel in Balassagyarmat die Anordnung zum Tragen eines gelben Sterns.
Anfang Mai 1944 wurden auf Anordnung des Bürgermeisters zwei Ghettos in Balassagyarmat eingerichtet, das sogenannte große und das kleine Ghetto. Das Haus der Netzers befand sich innerhalb des großen Ghettos (Hunyadi utca), daher musste die Familie nicht umziehen sondern lediglich einigen Fremden Unterkunft gewähren. Die Frauen und Kinder des Ghettos mussten Feldarbeit verrichten, die Männer wurden vorläufig in diverse Arbeitslager verbracht.
Am 2. Juni 1944 wurde das Ghetto geräumt und die Bewohner mussten sich zu Fuß ins rund 5km entfernte Barackenlager Nyirjespuszta, heute ein Stadtteil von Balassagyarmat, begeben.
Am 10. Juni 1944 wurden mit einem Transport 2810 Juden und „unerwünschte Elemente“ aus den beiden Ghettos von Balassagyarmat in Viehwaggons ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Der Transport kam am 13. Juni 1944 im KZ Auschwitz an.
Aus der Familie von Blime Netzer fielen Blimes Eltern und drei ihrer Geschwister sowie zahlreiche Onkel, Tanten und Cousins/Cousinen dem deutschen Rassenwahn zum Opfer.
Die Überlebenden der Familien Netzer und Fischer berichteten übereinstimmend, dass, als sie nach dem Krieg in ihren Heimatort zurückkehrten, antisemitische Ressentiments unter der Bevölkerung unverändert Bestand hatten und sie daher nicht hier leben wollten.
Die prächtige Synagoge der Stadt wurde nicht wieder errichtet. Heute erinnern lediglich der jüdische Friedhof sowie ein Mahnmal für die Opfer der Shoah an die jüdische Vergangenheit der Stadt.