Franz Mann wurde am 14.02.1912 in Pulkau in Niederösterreich als Sohn von Johann Mann (*28.03.1880 in Wien/+ca.1920) und Barbara Mann, geb. Preiner (*13.06.1883 in Ivan bei Sopron, Ungarn/+11.10.1952 in Wien) geboren.
Bereits vor seinem Schulabschluss (30.09.1930) in der Elektro- und Maschinenfachschule im Arsenal und auch in den Jahren danach half Franz Mann von 02. Februar 1930 bis 02. November 1935 bei seiner Mutter Betty (Barbara) Mann in deren Milch- und Buttergeschäft in der Markthalle in der Burggasse 80 in 1080 Wien aus. Die äußerst angespannte Lage am Arbeitsmarkt infolge der Weltwirtschaftskrise und der daraus resultierenden Massenarbeitslosigkeit eröffnete keine Möglichkeit einer seiner eigentlichen Ausbildung als Techniker entsprechenden Tätigkeit.
Die Arbeit in der Markthalle bei seiner Mutter war jedoch ab Dezember 1931 lediglich Tarnung für seine nationalsozialistischen Umtriebe bei der NSDAP und der SA (Sturmabteilung). In der Verbotszeit (die NSDAP war in Österreich von 1933 bis 1938 verboten) musste er Ende 1935 untertauchen um seiner Verhaftung zu entgehen und fuhr zu diesem Zweck nach Oberösterreich, wo er sich im unscheinbaren Ort Thanstetten versteckte. Ob es dorthin familiäre Bande oder Freundschaften gab, ist nicht bekannt. Er lernte dort jedenfalls seine spätere Frau Juliana Obermayr kennen, schloss sich nach rund einem Jahr den dortigen Nationalsozialisten an und war wie schon zuvor in Wien als illegaler Funktionär der NSDAP tätig. Es scheint daher für die Jahre 1936-1938 für ihn kein offizielles Beschäftigungsverhältnis auf.
Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland am 12.03.1938 sollte es nicht lange dauern, bis sich seine NSDAP-Mitgliedschaft auszahlte und bereits am 04.08.1938 konnte Franz Mann eine offenbar gut dotierte Stelle bei der Stahlbaufirma Heinrich Rotter in 1030 Wien, Erdbergstraße 10, antreten.
Dort war er als Konstrukteur und technischer Zeichner beschäftigt. Trotz seiner Jugend und fehlenden Berufserfahrung (er hatte ja bis dahin noch keinen Job in seinem erlernten Bereich ausgeübt) wurden ihm Brückenkonstruktionen in Wien und Umgebung anvertraut. Ob ihn diese Tätigkeit oder seine Funktionärstätigkeit in der NSDAP vor einem Kriegseinsatz im zweiten Weltkrieg (1939-1945) bewahrt hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls wurde er als UK (unabkömmlich) eingestuft und musste nicht an die Front.
Die nachfolgenden S/W Fotos können per Mausklick in voller Größe betrachtet werden
1940: Arbeiten an der großen Marxerbrücke in 1030 Wien. Heutzutage ist dieser Bereich zur Gänze überbaut und nicht mehr als Brücke erkennbar. Es verläuft dort die Marxergasse in Höhe des Handelsgerichtes, welches über den nun nicht mehr sichtbaren Bahngleisen errichtet wurde.
März 1940: Arbeiten an der Brücke über den Russbach bei Markgrafneusiedl.
Juli 1940: Bauarbeiten/Instandsetzung an der Franz-Höbinger-Brücke über die Liesing im Bereich Atzgersdorfer Platz in Blickrichtung Levasseurgasse. Da amerikanische Bomber ab 1943 Angriffe auf Wien flogen, musste die Brücke aufgrund von Kriegsschäden nach dem Kriegsende (1945) bereits im Jahr 1948 erneut getauscht werden. Aber auch dieser neuen Brücke war kein langes Leben beschieden: katastrophale Hochwasserereignisse in den 1950er Jahren setzten ihr schwer zu, und im Jahr 1960 wurde die Liesing in Atzgerdorf komplett eingedeckt. Daher gab es ab diesem Zeitpunkt dort keine Brücke mehr.
Jänner 1941: die selbe Baustelle in Atzgersdorf, fast unverändert, im Hintergrund ist der Baustellenwagen der Firma Rotter zu sehen. Offenbar mussten die Arbeiten zwischen Juli 1940 und Jänner 1941 aus irgendeinem Grund ruhen. Also auch nicht anders als heutzutage
(natürlich besteht auch die Möglichkeit einer falschen Beschriftung des Fotos durch Franz Mann es sind nämlich exakt die selben Personen an den selben Positionen zu sehen)
Brücken in Mödling über die Mödling
18.03.1941: Brücke in der Spitalmühlgasse Richtung Hinterbrühl
18.03.1941: Arbeiten an der Brücke in der Neusiedlerstraße.
2022 wurde diese Brücke in Erika Schwammberger-Brücke umbenannt.
24.06.2023: Notwendige Instandsetzungsarbeiten an der Brücke durch Sylvia Günsberg und Otto Russmann
24.06.2023: Längst fällige Wartungsarbeiten durch Fachpersonal (Otto Russmann und Eva Voll)
Sein Verdienst dürfte in dieser Zeit ebenfalls nicht der schlechteste gewesen sein. Weihnachtsfotos aus dem Jahr 1941 zeugen von einem dekorativen Weihnachtsbaum und einigem Spielzeug für seine 1940 geborene Tochter Gerlinde. Das war in den Kriegsjahren ganz und gar nicht selbstverständlich.
Da ab 1942 alliierte Bomber die Rüstungsbetriebe in Deutschland massiv bedrohten, wurde ein erheblicher Teil der deutschen Rüstungsproduktion nach Österreich verlagert, das vorläufig (bis 1943, Landung der Alliierten in Sizilien) noch außerhalb der Reichweite der Bomber lag. Eines der wichtigsten Rüstungswerke der "Ostmark" waren die Raxwerke in Wiener Neustadt. Diese hatten jedoch aufgrund der an der Front als Soldaten eingesetzten Arbeitskräfte mit einem massiven Facharbeitermangel zu kämpfen. Daher, und auch um die Produktion aus Sicherheitsgründen zu dezentralisieren, wurden viele Produktionsbereiche an kleine und kleinste Betriebe ausgelagert. Auch die Firma Rotter war daran beteiligt und Franz Mann war, seinen eigenen Angaben seinem Sohn gegenüber entsprechend, mit der Herstellung von Lokomotivbauteilen und Steuerungsteilen für die berühmt-berüchtigte "Vergeltungswaffe" V2/A4 betraut. Seine Angaben sind zweifellos korrekt, denn genau diese Produkte wurden in den Raxwerken hauptsächlich hergestellt: Lokomotiven für die Versorgung der kämpfenden Truppe und die revolutionäre Vergeltungswaffe "Aggregat 4", die lediglich an drei Standorten gefertigt wurde - eben in Wiener Neustadt (Raxwerke), in Friedrichshafen (Zeppelin-Werke) und in Peenemünde (HVA/Heeresversuchsanstalt). Speläologische Forschungsarbeiten (Höhlenforschung) der letzten Jahre belegen die rüstungstechnische Bedeutung der Firma Rotter, indem unterirdische Produktionsstätten und Tunnelsysteme unter der Schlosserei erforscht wurden, die auf der einen Seite bis zum Donaukanal und in der anderen Richtung bis zur Rochuskirche reichen.
Das Gebäude in der Erdbergstraße 10, in dem die Firma Rotter ansässig war, existiert heute (2023) nach wie vor und wurde durch die Umsicht der heutigen Eigentümer bislang vom Abriss und einer neuen Bebauung verschont. Es dient seit etwa 15 Jahren als Standort für eine Reihe junger StartUp Unternehmen.
Montagehalle der Firma Rotter 1941
Dieselbe Räumlichkeit von rochuspark.at 2023
Nach Kriegsende im Mai 1945 verloren viele ehemalige Nazis ihren Job aufgrund des Wirtschaftssäuberungsgesetzes (Verfassungsgesetz vom 12. September 1945 über Maßnahmen zur Wiederherstellung gesunder Verhältnisse in der Privatwirtschaft). So verlor auch Franz Mann am 15.02.1946 seine Anstellung bei der Firma Rotter. Die Bemerkung "...Der Verhältnisse halber..." im obenstehendem Schriftstück gibt diesen Sachverhalt wieder. (Wie sich doch die Zeiten innerhalb kurzer Frist ändern können: keine acht Jahre zuvor hatte im Juli 1938 sein späterer Schwiegersohn Max Günsberg seinen Job "...aufgrund der Verhältnisse..." verloren, da er Jude war)
Er konnte jedoch bereits am selben Tag eine neue Stelle als Leiter des technischen Büros bei der Eisenkonstruktions-Werkstätte Franz Knotz KG antreten. Die NS-Netzwerke dürften also nach dem verlorenen Krieg weitestgehend intakt geblieben sein und gerade Stahlbaufirmen wie die Firma von Franz Knotz, die ja am Krieg gut verdient hatten, erwiesen sich oft als Sammelbecken der "Ehemaligen". Die wenigsten dieser Firmen haben sich bis heute aber ihrer NS-Vergangenheit gestellt. Eindrucksvolles Beispiel für einen solchen Betrieb ist auch die bekannte Firma JOKA in Schwanenstadt, deren langjährige Chefs, der Firmengründer Johann Kapsamer und sein Sohn Hans Kapsamer bis in die 1980er Jahre als Aufnahmekriterium für neue Mitarbeiter eine einschlägige ehemalige Mitgliedschaft einforderten. Bis heute sucht man eine diesbezügliche Stellungnahme oder auch nur eine Erwähnung auf der Firmen-Homepage jedoch vergeblich.
Bereits ab 1948 gab es die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verleihung des so sehr ersehnten Ingenieur-Titels an Franz Mann. Gemäß dieser Regelung (BGBl 171/1948 BGBl. Nr. 171/1948) wurde es möglich, auch Nicht-Akademikern und Nicht-Maturanten (sein Abschluss an der Elektro- und Maschinenfachschule im Arsenal galt nicht als Reifeprüfung) aufgrund der nötigen ..."Allgemeinbildung"... und ..."beachtenswerter Betätigungen oder Leistungen"... die Ingenieurs-Würde zu verleihen. Franz Mann hatte diesbezüglich jedoch mit seiner NS-Vergangenheit zu kämpfen, die das noch nicht zuließ.
Im Jahr 1955 erhielt Österreich seinen Staatsvertrag und die Besatzungstruppen der Alliierten verließen das Land. Dies führte unter anderem dazu, dass die Entnazifizierungsmaßnahmen ab diesem Zeitpunkt gelockert beziehungsweise gänzlich aufgehoben wurden. Und so suchte Franz Mann am 03.03.1956 um die Verleihung des so ersehnten Ingenieurtitels an und erhielt diesen auch endlich am 23.04.1956. Dieser Titel muss ihm sehr wichtig gewesen sein, da ich mich erinnern kann, dass das Türschild seiner Wohnung in 1030 Wien, Marokkanergasse 1/14 den Ingenieur deutlich und immer blankpoliert zeigte.
Als eine seiner späteren Leistungen wurde in unserer Familie die Konstruktion einer Gegenstromanlage im Jörgerbad in 1170 Wien kolportiert.
Seine technischen Fähigkeiten und die Möglichkeiten, die ihm sein Job bot, um günstig an Material zu kommen, verwendete er mit Vorliebe, um in seinem geliebten Garten in Ober St.Veit allerlei Konstruktionen und Basteleien herzustellen. Dass er als "hochwohlgeborener Ingenieur" dabei nicht auf Werkzeug amateurhafter Heimwerker zurückgriff, verdeutlicht der nach seinem Tod lange Zeit in der Familie geübte Spruch, wonach jede noch so kleine Reparatur von ihm für die Ewigkeit und mit "Hunderter-Nägeln" ausgeführt wurde (Von diesen riesigen Nägeln habe ich tatsächlich nach seinem Tod in seiner Werkstatt noch Unmengen gefunden. Wofür er diese verwenden wollte ist mir schleierhaft, sie hätten für Jahrzehnte gereicht)
Seine Anstellung bei der Firma Franz Knotz KG behielt er bis an sein viel zu frühes Lebensende am 19.11.1970. Als leitender Angestellter seiner Firma war er fallweise auch im Ausland tätig. Aufgrund seiner Abneigung gegenüber dem Erlernen fremder Sprachen war er jedoch nur selten auf Reisen und blieb ihm ein eigentlich unweigerlicher weiterer Aufstieg in seiner Firma verwehrt. Ich kann mich an eine Moskau-Reise kurz vor seinem Tod 1968 oder 1969 erinnern, die damals in unserer Familie einer kleinen Sensation gleichkam.