Die Familie von Max Günsbergs zweiter Frau, meiner Mutter Gerlinde Günsberg (geborene Mann), weist keine echte Verwandtschaft zu Max Günsberg auf, spielte für ihn jedoch in späteren Jahren eine wichtige Rolle. Im Zuge der Recherchen zu meinem Vater fiel mir auf, dass ich über Max Günsbergs Schwiegereltern und damit meine Großeltern, die Familie Mann, eigentlich kaum etwas wusste, obwohl diese der NS-Ideologie anhängige Familie vom personellen Aderlass während der NS-Zeit verschont geblieben war und ich viele Familienmitglieder persönlich kennenlernen durfte. Das Schweigen über die NS-Zeit wurde in dieser Familie aber ebenso gepflegt wie von meinem jüdischstämmigen Vater, wenn auch die vermeintlichen oder tatsächlichen "Täter" natürlich aus ganz anderen Beweggründen schwiegen wie die Opfer.
Das in Österreich weitgehend akkordierte und nach meiner Auffassung für das Funktionieren einer Gesellschaft in der Zeit nach 1945 sogar notwendige Schweigen über die NS-Zeit und deren Verdrängung wurde und wird erst mit dem Aussterben der Kriegsgeneration, falls überhaupt, durchbrochen und bearbeitet. Wie sonst hätten Opfer und Täter Seite an Seite und im ständigen Umgang miteinander ein funktionierendes Staatswesen aufrechterhalten sollen?