Herr August Puraner, geboren am 19.05.1872 in Ober St. Veit, war um 1930 Besitzer der Gastwirtschaft „Zum Ober St.Veiter Winzer“ in 1130 Wien, Schweizertalstraße 4. Dazu besaß er noch einige Grundstücke, die als Weingarten genutzt wurden. Die Winzer-Familie Puraner war damals in Ober St.Veit fast omnipräsent, es dürfte der halbe Berg dieser Familie gehört haben. Das Wirtshaus in der Schweizertalstraße, die bis 1903 noch Neustiftgasse hieß, gab es ebenfalls ab 1903. Life-Musik wie in der Annonce beworben war damals vollkommen normal, auch in meiner [Gerhard Günsberg] Kindheit in den 1960er/1970er Jahren gab es das beim Heurigen noch sehr oft.
Annonce im Neuen Wiener Extrablatt vom 13.04.1919
Zum Ober St.Veiter Winzer, Schweizertalstraße 4, ca. 1930
Schweizertalstraße 4 im Jahr 2022, praktisch unverändert
1930 fasste Herr Puraner den Entschluss, das Wirtshaus, in dem er geboren worden war und in dem er samt Familie auch wohnte, nunmehr zur Gänze als Gasthaus zu nutzen und ein repräsentatives Eigenheim in der Nähe zu errichten. Zu diesem Zweck wurde das Grundstück in der Schweizertalstraße 17a erworben und am 12.04.1930 der Baubeginn angezeigt.
Die Mutter von Franz Mann, Barbara/Betty Mann, betrieb zu dieser Zeit ein Milch- und Buttergeschäft in der Markthalle in der Burggasse in Wien.
Sie war offenbar fleißig und das Geschäft dürfte nicht so schlecht gelaufen sein. So stach ihr die obenstehende Annonce ins Auge.
Franz´ Vater Johann Mann wurde offenbar im ersten Weltkrieg verwundet. Das geht aus der Verlassenschaftsabhandlung von Betty Mann in ihrem Sterbejahr 1952 hervor, da sie demzufolge bis zum Zeitpunkt ihres Todes eine Hinterbliebenenrente erhielt. Johann Mann ist am 03.06.1920 jedoch nicht an dieser Verletzung, sondern an Lungentuberkulose verstorben.
Zwischen 1935 und 1937 lernte der Franz seine Julianna kennen und lieben. 1937 kaufte er sich ein Motorrad, eine Puch 250, und meldete sie in Oberösterreich an. Mit diesem heissen Eisen sind der Franz und seine Juli dann nach Wien und auch in den Garten in Ober St.Veit gebrettert. Geheiratet haben sie am 05.06.1938, also noch vor Beginn des Weltkrieges, in Neu-Kematen in Oberösterreich.
Auf diesem Foto befindet sich genau rechts von den beiden der Eingang zum Garten.
Das nebenstehende Foto vom Jänner 1940 zeigt das erste Gartenhäuschen, das auf diesem Grundstück stand. Ob es allerdings bereits so angekauft wurde oder der junge Franzl es selbst errichtet hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Diese Fotos sind am 20.04.1941 im Garten entstanden. Von links nach rechts:
Julianna Mann neben dem Gartenhäuschen im Jahr 1943. Da war sie gerade mal 30 Jahre alt. Beim Betrachten des Fotos ist mir das unscheinbare Kasterl vor dem Haus aufgefallen. Das stand noch in der Werkstatt des Gartenhauses, als ich [Gerhard Günsberg] es 2004 verkauft habe. Unglaublich...
Auf diesem Foto von 1943 war Juliannas Bruder Mathias im Garten zu Besuch. Er war augenscheinlich bei der deutschen Wehrmacht und, wie hier zu sehen, mit einem eisernen Kreuz II. Klasse sowie einem Verwundetenabzeichen dekoriert. Er hatte sich nämlich einen Steckschuss im Bein eingefangen. Die Kugel wurde nicht entfernt und er ging dann zeitlebens am Stock.
Der Franzl schaut da so richtig unsympathisch drein. Er war zu dieser Zeit ja auch bereits vom Blockwart zum NSDAP Zellenleiter aufgestiegen. Passt irgendwie.
Und nochmal ein Foto von 1943 mit Mathias Obermayer und seine Schwester Julianna samt der kleinen Saufnase Gerlinde, geboren am 03.01.1940.
Kurz nach dem 2. Weltkrieg, also in der Zeit zwischen 1945 und 1950, errichtete der Franzl ein neues und größeres Gartenhaus, indem er das alte erweiterte. Auf dem von ihm verfassten Plan sieht man unterhalb eine Draufsicht mit dem eingezeichneten Altbestand wie auf dem Foto oben, und oberhalb eine Frontalansicht des geplanten Neubaues, der dann bis zum Verkauf des Grundstückes im Jahr 2004 bestand.
So sah das Gartenhaus dann schließlich aus. Das Foto ist frühestens 1952 entstanden, da man bereits den Strommast am Giebel erkennen kann. Die Stromleitung wurde erst 1952 errichtet. Die Organisation des Baues dieser Zuleitung in die gesamte Kleingartenanlage und und die Verhandlungen mit dem Netzbetreiber oblagen natürlich dem Herrn Ingenieur Mann.
Auf dem Foto ist auch zu sehen, dass die Verschalung ursprünglich aus Holz bestand. In den 1960er Jahren wurde dies von Franz Mann durch weiße Eternit-Platten ersetzt. Ich [Gerhard Günsberg] meine mich dunkel zu erinnern, dass ich das als Dreikäsehoch beobachten konnte.
Im Jahr 1958 konstruierte und zeichnete der Franz einen beeindruckenden und irrsinnig detaillierten Plan für die Garage, die er dann genau so errichtete. Das konnte er offenbar wirklich gut und ich glaube anhand dieses Planes könnte sogar ich diese Garage nachbauen. Das Material dafür konnte er günstig erstehen, da er leitender Angestellter bei der Stahlbaufirma Knotz KG war.
Als Gerlinde Mann ihren Max Günsberg im November 1959 kennenlernte, erfolgte im Sommer 1960 offenbar so etwas wie ein Antrittsbesuch von Max im Garten in Ober St. Veit. Die Aufnahmen stammten wohl von Gerlindes damals 14-jährigen Bruder Gerhard, da sie samt und sonders unscharf sind. Er dürfte wohl noch nicht so firm mit dem Apparat gewesen sein.
Es sollte bekanntlich nicht allzu lange dauern und 1964 kam der kleine Gerhard Günsberg ins Spiel. Meine ersten zehn Lebensjahre waren nunmehr geprägt von diesem Garten. Unsere Wohnung im 20. Bezirk in der Brigittagasse war nicht allzu groß und im Sommer ziemlich langweilig. Daher verbrachten wir die Sommermonate, also etwa von Juni bis Anfang September, im Garten in Ober St.Veit. In dieser Periode des Jahres war es in dem kaum zu beheizenden und schon gar nicht winterfesten Häuschen gut auszuhalten. Meine Großeltern Franz und Julianna waren da etwas härter im Nehmen - immer pünktlich am ersten Mai musste die erste Nacht im Garten verbracht werden. Meine Großmutter Julianna hat mir erzählt, dass sie einmal am ersten Mai in der Früh Schnee im Garten hatten! Und zurück in die Wohnung in der Marokkanergasse ging es erst am 30. September, da kannte der Franz kein Pardon.
Da meine Eltern Gerlinde und Max arbeiten mussten und jeden Tag in die Brigittagasse ins Büro fuhren, und auch mein Opa Franz damals noch nicht in Pension war und daher ebenfalls ins Büro musste, habe ich Dreikäsehoch praktisch den gesamten Sommer tagsüber ausschließlich bei der Omi im Garten verbracht.
Mein Opa Franz kam bereits früh nachmittags nach Hause. Ich habe ihn am Garagentor immer schon sehnsüchtig erwartet, denn das bedeutete Spaß. Zuerst ein Wettrennen vom Gartentor zum Haus, dann begann er meist in seiner Werkstatt irgendetwas zu reparieren oder basteln. Und ich bekam einen Holzblock, Hammer und Nägel, und konnte das Nägel-Einschlagen üben. Meine durchaus vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten nahmen also hier ihren Anfang. Mein Vater Max hatte hingegen eher zwei linke Hände, von dort habe ich das nicht mitbekommen.
Nach der Werkstatt gab es das von der Omi bereitete Essen. Franz hatte natürlich den Vorsitz, aber ich durfte genau neben ihm auf der Vorsitz-Bank sitzen und fühlte mich megawichtig.
Als ich sechs Jahre alt war, war leider Schluss damit. Am 19.November 1970 war mein Opa Franz wie so oft im Garten um irgendetwas zu arbeiten. Hauptsächlich aber natürlich, um sich bei einem lieben Nachbarn, dem Herrn Leopold Wunsch (der übrigens ein Wegbereiter des Judo-Sports in Österreich war), ein oder zwei (oder drei?) Glaserln Veltliner zu genehmigen. Vielleicht war es an diesem Tag ein Glas zu viel, jedenfalls erlitt er einen Herzinfarkt und brach zusammen. Ein normales Telefon existierte damals am Meisenbühel noch nicht und Handys waren ohnehin noch nicht einmal Utopie. Entsprechend lang dauerte es bis viel zu spät eine Ambulanz eintraf.
So endete sein Leben abrupt, kurz bevor er seine heiss ersehnte Pension antreten konnte.
Aber auch nach seinem Tod war ich während der Sommermonate und Ferien praktisch durchgehend bei meiner Omi im Garten und verlebte dort eine tolle Kindheit. Ungezählte male ging ich mit ihr zum "Greißler" in der Schweizertalstraße 14 einkaufen, der dem Greißlersterben der 1970er Jahre noch viele trotzte, nunmehr aber doch bereits seit über 20 Jahren geschlossen ist.
Genau über die Straße gegenüber von Franz´ Garten gab es ein Grundstück, das Franz´ Schwester Barbara Novak, geborene Mann (*28.02.1911/+ 19.07.1989) gehörte. Dieses Grundstück dürfte bereits ihre Mutter Betty erworben und ihr schon zu Lebzeiten übergeben haben, da sie in ihrem Testament meinte:
"...Mein Sohn Franz Mann hat seinen Teil schon bekommen er hat das größere Grundstück mit dem Gartenhaus bekommen. Haushaltsgegenstände zu seiner Verehelichung und außerdem hat er ja studiert..."
In diesem Testament setzte Betty ihre Tochter auch als Alleinerbin ein und vermachte ihr die Wohnung in der Marokkanergasse 1/10. Überhaupt dürfte das Verhältnis von Betty zu ihrem Sohn Franz und auch zu seiner Frau Julianna nicht ungetrübt gewesen sein. Ich erinnere mich, dass meine Omi Julianna nicht allzu viel Gutes über ihre Schwiegermutter zu berichten wusste.
Die Tochter von Betty Mann, die ebenfalls Barbara hieß, war mit Johann Novak aus Böhmisch Rudoletz verheiratet (Hochzeit 1937 in der Wiener Karlskirche), der in Eggenburg, NÖ, ein Geschirrgeschäft betrieb, in dem sie bereits vor dem zweiten Weltkrieg mitarbeitete. Wo ihr Mann abgeblieben ist ließ sich nicht eruieren, ich nehme an, dass er im zweiten Weltkrieg gefallen ist. Auf dem Foto ist sie mit ihrem Sohn Erwin (*18.04.1939/+1958) zu sehen, der angeblich geistig beeinträchtigt war und deshalb so jung gestorben ist.
Als sie in Pension ging, hortete sie die schönsten Services und Gläser aus ihrem Geschäft in ihrer Wohnung, die im selben Haus war wie die Wohnung von Franz und Juli, in 1030 Wien, Marokkanergasse 1.
Es ergab sich gut, dass mein Freund Christian Tromet seine Ursula genau zu der Zeit heiratete, als diese Tante gerade verstorben war und man ohnehin nicht wusste wohin mit all dem Geschirr - die beiden bekamen von Familie Stubits und Günsberg gemeinsam ein wunderschönes Service mit Blümchen Und auch wir haben am Dachboden noch ein überkomplettes weißes Service mit Goldrand stehen, das wir nie verwenden.
1989 starb sie und mangels anderer Erben bekamen Gerlinde Günsberg und ihr Bruder Gerhard Mann ihren Garten. Ich hatte als junger Mann das Vergnügen, das Gartenhäuschen der alten Tante, die mir leider nie sympathisch war, zu entrümpeln, damit man es verkaufen konnte, was 1991 auch geschehen ist.
Der "obere" Garten, der in der Folge der Günsberg-Garten wurde, wurde am 12.07.1947 in bester Familientradition (siehe den Kauf des ersten Grundstückes für den blutjungen Franzl von seiner Mutter Betty) für den damals einjährigen Gerhard Mann auf dessen Namen von den Erben eines Herrn Paul Bauernfeind erworben.
Ich kann mich erinnern, dass meine Großmutter Julianna Mann mir erzählte, dass dieser Garten vollkommen verwildert war und es monatelange Knochenarbeit war, ihn halbwegs zu kultivieren.
Nachdem Gerlinde Mann ihren Max Günsberg geheiratet hatte, haben Gerlinde und ihr Bruder Gerhard offenbar getauscht - sie bekam den "oberen" Garten als vorgezogenes Erbe, um dort mit Max ein Häuschen zu errichten, während ihr Bruder Gerhard Mann für den "unteren" Grund vorgesehen war.
Max Günsberg kümmerte sich um ein kleines Häuschen für dieses Grundstück. Im 19. Bezirk in der Krottenbachstraße sollten einige Kleingartenhäuser einem Bauprojekt weichen und Max hatte davon Wind bekommen. Schnell war er mit dem Besitzer eines dieser kleinen Holzhäuser, der eigentlich mit keinerlei Erlös gerechnet hatte, handelseins. Max ließ das Häuschen abtragen und in Gerlindes Garten wieder aufbauen. Die Kosten für Ab- und Aufbau, für den Transport und die seltsamerweise beim Transport verloren gegangenen Teile (Max´ Menschenkenntnis war nicht immer treffsicher) überstiegen wohl den Preis eines neuen Gartenhauses.
Max Günsberg wurde offenbar auch als begabter Organisator angesehen. Ich kann mich an diverse Versammlungen aller Kleingartenbesitzer in unserem Garten erinnern, in denen unter anderem die Einleitung einer Telefonleitung Thema war. Aufgrund einiger sehr unwilliger Gartenbesitzer wurde damals nichts daraus. Erst Jahre später, nach Max´ Tod, gab es dann Telefon auch in dieser Kleingartensiedlung.
Nachdem ich mir einige Zeit keinen Reim auf diesen Film machen konnte, habe ich nach einigem Suchen herausgefunden, dass die liebe Anna Schor eine Cousine der Mutter von Julianna Mann war. Also eine Cousine von Gerhard Manns Großmutter, die übrigens wie ihre Mutter und auch ihre Großmutter Maria Lederhilger hieß. Das war in dieser Familie über etliche Generationen so üblich, lauter Marias. Da verliert man beim Forschen schon mal den Überblick.
Dass Anna Schor den Kauf des Grundstückes finanzierte lässt mich vermuten, dass sie die Taufpatin des kleinen Gerhard Mann war. Das ist durchaus naheliegend, da sie zu Julianna Manns Verwandtschaft zählte und ebenso wie Familie Mann in Wien daheim war.
Und ich bin mir sicher, dass das die Tante Anna ist, von der ich in meiner Kindheit bei der Familie Mann etliche male vernommen habe, dass "...die [im fortgeschrittenen Alter bereits] schwerhörige Tante Anna immer genau das mitbekommen hat, was sie eben NICHT hören sollte..."
Tante Anna war mit dem bereits 1904 konvertierten jüdischen Bürstenmacher aus Lemberg namens Feiwel/Philipp Schor (*15.03.1872/+12.03.1945) verheiratet gewesen. Der Franzl Mann hatte also schon vor seinen Kontroversen mit Max Günsberg mit einem Juden zu tun. Die Konversion hat Feiwel 1938, als die Nazis in Österreich an die Macht kamen, freilich wenig genützt. Immerhin hat er es aber bis 1945 geschafft, in Wien und am Leben zu bleiben. Möglicherweise kam ihm dabei sogar die Verwandtschaft mit der Frau des NS-Funktionärs Franz Mann zugute.
Tragischerweise hat es, weniger als ein Monat bevor die rote Armee zwischen 10. und 15. April 1945 die Nazis aus Wien verjagt hat, den armen Teufel am 12.03.1945 doch noch erwischt.
Wie auf dem Schriftstück zu sehen, ist Philipp/Feiwel Schor in der Seitenstettengasse 4 ums Leben gekommen. Das Landesgericht Wien hat lt. Beschluss als bewiesen erkannt, dass er dort einem Bombenvolltreffer zum Opfer fiel.
Am 12.03.1945 gab es den schwersten aller Luftangriffe auf Wien. Ein Luftschutzkeller befand sich im Keller des Amtssitzes des jüdischen Ältestenrates (die Kultusgemeinde war 1942 von den Nazis aufgelöst worden). Die wenigen noch verbliebenen Juden durften lediglich im oberen Keller Zuflucht suchen, während der tiefere Keller, der durch ein mittelalterliches Kellersystem mit der Innenstadt verbunden war, der arischen Bevölkerung und insbesondere den Mitarbeitern der Gestapo (geheime Staatspolizei) vom nahegelegenen Morzinplatz vorbehalten war.
Der obere Keller wurde durch einen Bombeneinschlag verschüttet und 19 Menschen starben, unter ihnen auch Philipp Schor. Seine Leiche konnte jedoch offenbar nicht gefunden/geborgen werden, daher wurde sein Tod in der Folge durch den angeführten Gerichtsbeschluss festgestellt.
Im Jahr 1968 erstand der Franzl Mann nicht lange vor seinem Tod durch eine sich zufällig ergebenden Gelegenheit ein Grundstück oberhalb der bereits in seinem Besitz befindlichen Gärten, das später die Familie Niederreiter von der Familie Mann kaufte. Nach Franzls Tod hatte seine Witwe Julianna dieses unbebaute Grundstück über etliche Jahre im Besitz. Der Garten hat aber nur Arbeit bedeutet - das heisst - so ganz stimmt das nicht, es stand nämlich ein unfassbar toller Kirschenbaum dort, mit den besten Herzkirschen, die man sich denken kann. Jedenfalls wurde er 1990 an die Familie Niederreiter verkauft.
Um 1995 vermachte Julianna Mann ihren Garten, den unteren, zu ihren Lebzeiten ihren Kindern, nutze ihn aber nach wie vor. Da ihr Sohn Gerhard Mann ohnehin Geld brauchte und kein Interesse an dem Garten hatte (er hat die unfreiwillige Mithilfe beim Verlegen der sauschweren Steinplatten des Gartenweges, zu der ihn sein Vater Franz gezwungen hatte, oftmals erwähnt und nicht vergessen), kaufte ihm seine Schwester Gerlinde seinen Teil ab.
1998 haben schließlich meine Mutter Gerlinde und ich getauscht: sie bekam meinen Anteil am Haus in der Anton-Kriegergasse, das ich von von meinem Vater Max Günsberg geerbt hatte, und war damit Alleineigentümerin. Dafür bekam ich die zwei Gartengrundstücke in Ober St.Veit.
Im Jahr 2002 fasste Gerlinde den Entschluss, ihr Haus in der Anton-Kriegergasse aufzugeben, da die Bewirtschaftung einer solch großen Liegenschaft für eine Person allein und ohne den bereits eingestellten Geschäftsbetrieb in fortgeschrittenem Alter finanziell, vor allem aber körperlich eine zu große Belastung darstellte. Zuerst versuchte sie die Liegenschaft zu verkaufen, fand aber keinen Käufer, der ihre finanziellen Vorstellungen zu erfüllen bereit war. Daher kam sie auf mich mit der Idee zu, das Haus gemeinsam zu nutzen. Sie würde das Obergeschoß bewohnen, wir das Untergeschoß. Da wir aber ohnehin eine schöne Wohnung in der Erlaaerstraße unser Eigen nannten, haben wir das dankend abgelehnt. Als sich auch danach kein geeigneter Käufer für das Haus fand, kam sie erneut auf mich zu und bot mir das Haus zur Gänze an. Als Bezahlung diente großteils der Erlös aus den mittlerweile Gott sei Dank erheblich im Wert gestiegenen Grundstücken in Ober St.Veit. Unter anderem damit kaufte Gerlinde ihre Wohnung am Maurer Hauptplatz.
Der Verkauf dieser beiden Grundstücke verlief aber durchaus spannend.
Zuerst war ich bereits mit einem Käufer für beide Gärten handelseins, der aber die Bedingung stellte, dass die im Miteigentum stehenden Grundstücke im Zuge einer Realteilung parzelliert würden. Das ist wichtig um für ein Bauvorhaben Rechtssicherheit bezüglich der Grundstücksgrenzen zu haben, die andernfalls (Miteigentum) nicht im Grundbuch eingetragen und daher nicht verbindlich sind. Bei etwa 40 Miteigentümern ist das eine Herkulesaufgabe (da ALLE zustimmen müssen), die ich allerdings trotzdem in Angriff genommen habe. Unter den Parteien gab es jedoch einige Spezialisten: einerseits recht betagte Herrschaften, die lieber keine Veränderung wollten, obwohl das auch den Wert ihrer eigenen Grundstücke erheblich gesteigert hätte; andererseits strittige Besitzverhältnisse im Zuge einer Erbschaft; und wieder andererseits die Nachkommen des Herrn Puraner (siehe ganz oben!), die nach all den Jahrzehnten immer noch einen kleinen Teil des Fahrweges in der Anlage besaßen und mein Anliegen zum Anlass nahmen, diesen Grundstücksteil völlig überteuert den anderen Miteigentümern zum Kauf anzubieten, da ihnen die Realteilung natürlich vollkommen egal war.
Jedenfalls bin ich mit der Aufgabe gescheitert. Der Kaufinteressent wollte das jedoch nicht hinnehmen und verlangte Schadenersatz samt Klagsandrohung durch seinen Rechtsanwalt. Meine recht gesalzene Replik blieb dann unbeantwortet und natürlich gab es auch keine Klage. Der Herr kaufte dann übrigens einen Steinwurf entfernt ein anderes Grundstück und errichtete dort einen Monsterbau.
Also suchte ich nach neuen Kaufinteressenten. Für den unteren Garten interessierten sich schnell die Nachbarn unterhalb (auf dem Bild rechts vom grünen Teil), die ihren Garten vergrößern wollten. Wir waren uns relativ schnell einig, obwohl sie den Preis ziemlich drückten. Nach der Erfahrung mit dem ersten Käufer samt Rechtsanwalt und Streiterei wollte ich das Ganze aber schnell abschließen und hätte den unteren Garten eigentlich zu günstig verkauft.
Also suchte ich nur noch für den oberen Garten jemanden und fand alsbald die späteren Käufer und wurde schnell mit ihnen zu für beide passenden Konditionen handelseins. Dazu muss man jedoch wissen: die beiden Gärten waren jeweils Teil von zwei verschiedenen Einlagezahlen, also Grundstücken. Die Grenze zwischen den zwei Grundstücken verlief/verläuft genau zwischen den beiden Gärten. Also: der blau eingezeichnete "obere" Garten gehört zur EZ 2072, zu der ca. 20 weitere Gärten zählen. Der grün eingezeichnete "untere" Garten gehört zur EZ 448, ebenfalls mit ca. 20 weiteren Gärten. Und es hatte sich bei der beabsichtigten Realteilung (s. oben) herausgestellt, dass irgendwann in den 1930ern sich jemand gründlich vermessen haben dürfte, da der Franz sein Haus und später die Garage genau auf die Grundstücksgrenze statt innerhalb gesetzt hatte. Das ist solange kein Problem, solange beide Grundstücke denselben Eigentümer haben. Jetzt aber, wo für die beiden Gärten verschiedene Käufer da waren, wurde das Problem schlagend und ich akzeptierte zähneknirschend, die beiden Gebäude vor dem Verkauf abzureissen. Und das wäre natürlich ordentlich ins Geld gegangen. Zudem musste ich den Käufern des unteren Gartens irgendwie klarmachen, dass sie von dem, was sie für ihren zukünftigen Garten hielten, ein Stück abzugeben hätten.
Ich hatte den Käufern des oberen Gartens nur das obere Grundstück angeboten, da das untere ja schon so gut wie fix den Nachbarn verkauft war. Als ich das den Käufern des oberen Gartens erzählte, erweiterten sie blitzschnell ihr Angebot auf beide Grundstücke zu einem für beide fairen Preis. Das ließ einen Stein von meinem Herzen plumpsen. Die unteren Nachbarn waren darüber zwar not amused, aber ich war heilfroh die beiden Gebäude nicht abreissen und keine unangenehme Grenzverschiebung zwischen den beiden Gärten vornehmen zu müssen.
Der von mir erst kurz zuvor geplumpste Stein traf mich also mit voller Wucht erneut und er war sogar größer geworden!
Ich klagte mein Leid natürlich allen möglichen Leuten. Aber keiner konnte mir helfen. Der liebe Peter Wünschmann, der Onkel meiner Fau Sylvia, kannte aber den zuständigen Abteilungsleiter vom Magistrat, hatte mit diesem dienstlich öfter zu tun gehabt und auch ein gutes Einvernehmen, aber keinen direkten Einfluss auf ihn. Aber wenigstens einen sonst nicht möglichen Termin für eine persönliche Vorsprache bei diesem Herrn konnte er mir verschaffen. Dieser Termin verlief so gar nicht nach meinem Geschmack. Der Mann gab sich überhaupt nicht zugänglich, zeigte mir den Plan, auf dem der Weg bereits fix und rot eingezeichnet und der von etlichen Entscheidungsträgern schon unterschrieben war und eröffnete mir, dass der Beschluss nur noch Formsache und in den nächsten zwei Wochen vorgesehen sei. Es täte ihm zwar für mich leid, aber da ginge das öffentliche Interesse vor. Ich argumentierte noch ein Weilchen mit ihm und bemühte mich um ein konstruktives Gesprächsklima. Aber es half alles nichts, ich zog erfolglos von dort ab, ohne jedoch auch nur ein böses Wort verloren zu haben.
Tatsächlich erfolgte wie von ihm angekündigt die Beschlussfassung über die neue Flächenwidmung in sehr kurzer Frist und ich erhielt das entsprechende Schreiben vom Magistrat etwa zwei Wochen nach dem Termin. Ich öffnete den Brief gleichmütig und ohne Emotion, da ich mir ja nichts erwartete.
Und musste zweimal hinsehen um zu glauben was ich da sah - entweder hatte ich bei dem Gespräch sachlich und freundlich genug argumentiert oder Peters Bedeutung hatte geholfen oder auch beides, wie auch immer - in der neuen Flächenwidmung war der öffentliche Durchgang urplötzlich ersatzlos verschwunden! Japadapaduuuuuu
Dann ging alles sehr schnell. Die durch diese Umstände kurzfristig verhinderten Käufer Brigitte Winkler und Harald Swoboda waren ebenso froh wie ich über diese Entwicklung und wir schlossen den Kaufvertrag am 20.01.2004 ohne die geringsten Schwierigkeiten oder Animositäten und pflegen noch heute gutes Einvernehmen wenn wir uns sehen.
Damit endete nach über 70 Jahren die Beziehung der Familie Mann/Günsberg und des Kleingartenvereins "Am Meisenbühel".