Max Günsberg


Aufenthalt in Zürich

Wie vom Chefarzt des Sanatoriums Etania in Davos aufgrund der Lungenkrankeit von Max´ Frau Ilona empfohlen, zog das Ehepaar Günsberg nun also vom Heilaufenthalt in Davos nach Zürich und wohnte zunächst im Hotel Adler. Danach in der Auwandstraße 76, wo man bei Familie Berholz untergebracht war. Der Züricher Arzt Dr. Behrens erachtete dieses Quartier jedoch als feucht und für Ilona mit ihrem Krankheitsbild gesundheitsbedrohend. Nun begann ein Spießrutenlauf. Voraussetzung für eine Wohnbewilligung in Zürich war ein Job. Vice versa bekam man einen Job nur mit fester Bleibe. Schon am 25.08.1946 hatte Max von Davos aus das Gesuch, eine Handelsvertretung für Pelzwaren antreten zu können, gestellt. Wie zu erwarten wurde dieses Gesuch am 19.12.1946 zunächst abschlägig beschieden. Nach einem langwierigen Schriftwechsel mit den Behörden wurde den Günsbergs vom Wohnungsamt ausnahmsweise der Umzug an eine neue Adresse bei Potocky, Spyristraße 9, in Untermiete bewilligt. Es sollte jedoch nicht sein, bis zum Eintreffen des Bescheides war das Zimmer schon wieder anderweitig vergeben. Also machte sich Max erneut auf die Wohnungssuche, und diesmal sollte er endlich Erfolg haben, die neue Adresse des Ehepaares Günsberg wurde nun ein Zimmer in der Hohlstraße 16 bei Herrn E. Kin. Für diese Untermiete erhielten Max und Ilona schließlich die endgültige Wohnbewilligung am 09.06.1947.

Um endlich eine Erwerbstätigkeit ausüben und seine kranke Frau versorgen zu können, ließ Max seine Beziehungen spielen. Diese müssen sehr gut gewesen sein. In einem Gespräch vom 18.04.1947, das der einflussreiche tschechische Repräsentant des jüdischen Weltkongresses, Dr. Leo Zelmanovits, mit dem Chef der eidgenössischen Fremdenpolizei, Heinrich Rothmund führte, der ja, hätte es Paul Grüninger nicht gegeben, auch für die Abweisung von Max an der Schweizer Grenze im August 1938 gesorgt hätte, setzte sich Zelmanovits nach dem Eingehen auf die Gesamtsituation tschechischer und polnischer Flüchtlingsströme persönlich und explizit nur für Max´ Arbeitsbewilligung ein, er hätte diesen durch einen Londoner Bekannten in Lugano kennengelernt. Bei diesem Bekannten handelte es sich um Ilonas Onkel, Hermann Armin Herzfeld aus London, der ja auch schon die Garantie für die Hochzeit geleistet hatte.
Am 29.04.1947 sprach Max persönlich im Büro von Heinrich Rothmund vor, in Abwesenheit seines Chefs empfahl der Mitarbeiter Rothmunds, Herr Merz, eine Ausreise nach Amerika, da dort das Handelsgeschäft aussichtsreicher sei.
Laut dem Ende April/Anfang Mai 1947 folgenden Briefwechsel zwischen Max und Heinrich Rothmund wollte Max drei Vertretungen übernehmen: Bettfedern der Firma Rübner & Co aus Budapest (betrieben von Mendi/Eugen Netzer, einem Bruder von Ilona), sowie Pelze der Firma Furrier Herzfeld aus Tel Aviv sowie rohe Pelze und Felle der Firma Commercial Fur Co., Ltd. aus London (diese Firmen gehörten Hermann Herzfeld, einem Onkel von Ilona, der 1901 geboren und 1939 mit seiner Familie nach London ausgewandert war; die Filiale in Tel Aviv betrieb ein weiterer Onkel namens Jakob Rozenberg, der Mann von Tova Herzberg-Rozenberg).
In der Antwort von Rothmund sah dieser keine großen Chancen auf wirtschaftlichen Erfolg in der Pelz- und Bettfedernbranche in der Schweiz, versicherte Max jedoch seiner vorzüglichsten Hochachtung und empfahl ihm ganz im Sinne seiner bisherigen rigiden Vorgangsweise gegenüber Flüchtlingen zum einen weiterhin eine Weiterreise anzustreben, und sich zum anderen bezüglich einer provisorischen Arbeitserlaubnis an die dieser Tage neu gegründete Arbeitsvermittlungsstelle der Schweizerischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe zu wenden.

Das deckt sich mit der politischen Entwicklung dieser Zeit, im März 1947 wurde nämlich das prinzipielle Erwerbsverbot für Emigranten aufgehoben. Max und Ilona bemühten sich daher bei den Schweizer Behörden um Dokumente für notwendige Geschäftsreisen ins Ausland. Alos stellte Max am 02.06.1947 einen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises und ebenso wurde am 02.06.1947 ein Antrag für Ilona abgegeben. Die Schweizer Polizeiabteilung weigerte sich vorerst solche Dokumente auszustellen, da Max als österreichischer Staatsbürger ja nunmehr wieder die Möglichkeit gehabt hätte einen österreichischen Pass zu erhalten und Ilona als seine Frau ebenfalls einen österreichischen Pass erhalten würde. Im Falle, dass er dies ablehne, würde man den Fall erneut prüfen. Max wollte jedoch aus verständlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt noch nichts mit dem Land, das für die Ermordung seiner Familie verantwortlich war, zu tun haben.

Der Vorgang zog sich bis zum folgenden Frühjahr, dann endlich sollte Max am 09.03.1948 zuerst die Bewilligung erteilt werden, als Schweizer Vertreter für Pelze und Rauchwaren der Firma Furrier Herzfeld in Tel Aviv, Lilienblumstraße 18 zu arbeiten. Die Verbindung zu dieser Firma ergab sich durch die Familie seiner Frau Ilona Netzer (ihr Onkel Jakob Rozenberg betrieb in Tel Aviv eine Filiale des bereits angeführten anderen Onkels namens Hermann Armin Herzfeld, der in London ansässig war). Kurz danach, am 18.03.1948, konnte Max schließlich je einen Reiseausweis für sich und einen Ausweis für Ilona in Empfang nehmen.


Dr. Behrens, dessen Praxis in der Zürichbergstraße 45 angesiedelt war, attestierte Ilona am 20.06.1947 und Max am 10.07.1947 erneut die immer noch nicht ausgestandene doppelseitige Lungentuberkulose.

Am 22.08.1947 wurde für Max Günsberg ein neuer Ausländerausweis ausgestellt.


Max deutete im oben angeführten Brief an Heinrich Rothmund erstmals sein Interesse an Dauerasyl in der Schweiz an, um das er am 01.11.1947 tatsächlich ansuchte, als Beruf nannte er nach seiner begonnenen Schneiderlehre „Konfektionär“; im Feld „Angehörige im Ausland“ konnte er nur noch seinen Schwager anführen, eigene Familie hatte er nun ja nicht mehr.

Aber Max und Ilona hatten augenscheinlich auch noch ganz andere Pläne. Am 13.01.1948 trudelte ein Schreiben der HIAS (Hebrew sheltering and immigrant aid society) aus New York ein. Beigefügt ein Affidavit/Garantie eines Mr. Sholem Kolko (*1918, wohnhaft in Brooklyn, 1206, 48th street). Dabei handelte es sich um den Mann von Ilonas Cousine Ruth Kolko (*1923 in Balassagyarmat als Tochter von Max Indich und Ilonas Tante Ilona/Helen Netzer-Indich).

Nachdem sich das Asylverfahren in die Länge zog, warteten Ilona und Max den Asylbescheid gar nicht mehr ab. Spätestens Ende 1948 / Anfang 1949 fiel die Entscheidung eine Zukunft in Wien zu suchen. Am 19.01.1949 erfolgte die Abfahrt nach Wien und vorerst der Aufenthalt in einem Hotel. Nachdem eine Wohnung gefunden war meldeten sich Max und Ilona am 25.02.1949 nach Wien ab, die entsprechende Auskunft der Stadtpolizei Zürich samt Nichtigkeitserklärung des Dauerasylantrages datiert vom 14.07.1949.