Anton-Kriegergasse 142

Haus- und Hofgeschichte des aktuellen Familiensitzes der Wiener Familie Günsberg, letzter Wohnsitz von Max Günsberg

Das Grundstück und das Haus mit der Adresse 1230 Wien, Anton-Kriegergasse 142, kam erst kurz vor Max Günsbergs Tod (1976) in dessen Besitz. Es ist bis heute nach wie vor der Familiensitz der Wiener Familie Günsberg. Eine Bebauung des zuvor als Weingarten genutzten Grundstückes erfolgte erst in den 1920er Jahren. Daher ist nachfolgend zu Beginn die Geschichte des noch unbebauten Grundstückes und dessen ursprüngliche Vermessung sowie die Besitzverhältnisse beschrieben. 


Das Grundstück mit der späteren Adresse Anton-Kriegergasse 142 ist Teil der ehemaligen Grundherrschaft Mauer, die nach zuvor oft wechselnden Besitzverhältnissen im Jahr 1609 in den Besitz des Jesuitenordens kam und bis zu dessen Auflösung im Jahr 1773 bei diesem verblieb. Im Jahr 1790 kaufte der als Hofjuwelier zu Ansehen und Reichtum gekommene Franz von Mack von der niederösterreichischen Exjesuitengüterdirektion die Herrschaft Mauer samt Kalksburg und Speising. Sein Enkel Valentin II, Ritter von Mack, war dann bis zur Aufhebung der grundherrschaftlichen Verwaltung infolge der Revolution von 1848 der letzte Grundherr von Mauer.

Von 1850 bis 1938 war Mauer eine autonome niederösterreichische Gemeinde. Seit 1938 gehört es zu Wien.


Titelblatt des Grundbuches der Jesuiten (Dienstbuch)


Das hier beschriebene und auf der nebenstehenden Karte farblich hervorgehobene Grundstück ist in 277 Metern Seehöhe auf einem Teil von Mauer, der die Flurbezeichnung Liebeggen, fallweise auch Brennen, trägt, situiert. Dieser Flurnamen weist auf die Urbarmachung dieses Gebietes durch das Abbrennen des Buschwaldes hin und die Flur erstreckt sich etwa zwischen den Straßenzügen der Haymogasse -  Silvester Früchtlgasse - Rudolf Waisenhorngasse bis hin zur Flur Georgenberg. Im Jahr 1819 wurde die Flur Liebeggen im Franziszeischen Kataster aus Wiesen und Weingärten bestehend und noch völlig unverbaut ausgewiesen. Das gegenständliche Grundstück war Teil eines, laut Kataster, "Ackers mit Bäumen und Weinreben", also eines Weingartens mit Obstbäumen, der sich von der späteren, nördlich verlaufenden Haymogasse (bis 1957 Promenadegasse) bis zu einem mit Laubbäumen bewachsenen, südlich angrenzenden Wegstück, das später als Anton-Kriegergasse bezeichnet werden sollte, erstreckte. Als sogenannter "Überländgrund" hatte dieses Grundstück keine direkte räumliche Verbindung zum "behausten" Hof, also dem mit einem Haus versehenen Wohnsitz der Besitzer. Die Gassen waren als unbefestigte Wege zwar bereits vorhanden, aber noch nicht benannt. Im Grundbuch der langjährigen ehemaligen Grundherren, des Jesuitenordens, ist diese Flur als Mittlerer Liebeck bezeichnet.

Zur besseren Orientierung eine Abbildung mit den heutigen Straßennamen:


Eine Bebauung dieser Flur setzte erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein ein und noch bis in die 1950er Jahre wurde die Fläche der heutzutage gegenüberliegenden Wohnhausanlage, Anton-Kriegergasse 109-121, als Weingarten genutzt.  Das Foto zeigt den Blick vom Haus Anton-Kriegergasse 140 (eines der ersten Häuser in dieser Flur, Baujahr 1908) Richtung Rudolf Waisenhorn-Gasse. Heutzutage, 2023, steht an der Stelle des Weingartens die Wohnhausanlage Anton-Kriegergasse 109-121.
Foto: Karl Abrahamczik. Um 1950


Grundstücksbesitzer seit 1810

  • 1810-1845 Mathias Zeif und seine Frau Katharina Zeif
  • 1845-1852 Mathias Zeif (Cousin)
  • 1852-1866 Mathias Zeif und seine Frau Josefa Zeif
  • 1866-1869 Josef Au und seine Frau Franziska Au
  • 1869-1916 Franziska Au
  • 1916-1926 Karl Au und sein Bruder Josef Au
  • 1926-1929 Karl Au
  • 1929-1949 Michael Danzinger und seine Frau Emma Danzinger
  • 1949-1963 Emma Danzinger
  • 1963-1969 Wilhelm Arthold
  • 1969-1974 Agnes Maria Breuning
  • seit   1974 Familie Günsberg

Vor 1810

Die Besitzverhältnisse in Mauer vor 1683 lassen sich aufgrund der türkischen Belagerung Wiens in diesem Jahr und den damit verbundenen massiven Verwüstungen der Wiener Vororte, denen auch die schriftlichen Vermächtnisse dieser Zeit zum Opfer fielen, nicht mehr nachvollziehen.

Aber bereits kurze Zeit danach siedelte sich die erste bekannte Besitzerfamilie unseres Grundstückes in Mauer an: im Jahr 1686 wurde erstmals ein aus Salzburg vom Worschlager-Gut aus Gerstötten stammender Zimmermann namens Max Zeif urkundlich in Mauer erwähnt. Dass gerade zu dieser Zeit Zimmerleute in der Umgebung Wiens sehr gefragt waren ist nachvollziehbar, waren von den Türken doch sämtliche Gebäude niedergebrannt worden. Max´ Bruder Peter Zeif, ebenfalls Zimmermann, heiratete am 11.Juni 1690 ein Mädchen namens Veronika und lebte mit ihr im Jahr 1709, als das Grundbuch angelegt wurde, auf behaustem Grund in "Maur Alt Aigen, Winter Zeill" in einem Haus, das bei der ab 1770 erfolgten Nummerierung/Konskription die Cnr. (Konskriptionsnummer) 38 erhielt, dies entspricht der heutigen Adresse Maurer Lange Gasse 82. Auch ein gegenüberliegendes, zweites Haus mit der Konskriptionsnnummer 43 war ihnen zu eigen, dies entspricht der heutigen Adresse Maurer Langegasse 83. An dieser Adresse wurde noch bis in die 1930er Jahre unter dem Namen der Familie Zeif Wein ausgeschenkt und auch heute (2025) wird der Betrieb in der selben Familientradition, mittlerweile jedoch unter dem Namen Lindauer, weitergeführt. Konskriptionen dienten übrigens vornehmlich der korrekten Einhebung von Rekrutierungsgeldern, die akkurate Adress-Zuweisung war ein Nebeneffekt.

Die Weinhauer-Familie Zeif gilt als eine der ältesten Familien von Mauer, nach der 1933 die in Mauer gelegene Zeifgasse benannt wurde.


Auszug aus dem Grundbuch der Jesuiten - Dienstbuch 1709-1830


Alt Aigen bezeichnet das Gebiet der heutigen Maurer Lange Gasse, das dem ursprünglichen Siedlungskern von Mauer entspricht. Im Gegensatz dazu bezeichnet Neu Aigen das Gebiet entlang der heutigen Endresstraße, das erst später besiedelt wurde. Das mittelhochdeutsche Aigen bedeutet im Gegensatz zum Lehen freien Eigenbesitz, und die Bezeichnung Winter Zeill (Winterzeile) verweist auf die sonnenabgewandte Seite der Straße, im Gegensatz zur sonnenzugewandten Sommer Zeill (Sommerzeile).


Die meisten Bewohner von Mauer, die schon damals großteils als Weinhauer ihr Leben bestritten, besaßen auch unbehausten Überländgrund in verschiedenen Maurer Rieden. Als Überländgrund bezeichnete man Grundstücke, die keine direkte räumliche Verbindung zum behausten Grundstück der Besitzer hatten. Diese Grundstücke waren vor 1819 jedoch in keinem Kataster-Plan eingetragen. Daher erfolgte im Grundbuch lediglich eine relative Verortung durch Angabe der benachbarten Gründe. Der Standort unseres gegenständlichen Grundstückes wurde im Jahr 1810 im Zuge einer Erbschaft zugunsten von Mathias und Katharina Zeif folgerichtig definiert als "...Weingarten im mittleren Liebeck...neben sich selbst und Martin Asenbauer...", also zwischen einem weiteren eigenen Grundstück und einem Grundstück des Martin Asenbauer (siehe den untenstehenden Auszug aus dem Grundbuch). Mathias und Katharina Zeif, der Urenkel der oben genannten Peter und Veronika Zeif, und dessen Frau waren also die ersten nachgewiesenen Eigentümer des Grundstückes. Da der Erwerb im Zuge einer Erbschaft stattfand, kann angenommen werden, dass dieses Grundstück bereits einige Zeit zuvor im Laufe des 18. Jahrhunderts in den Besitz der Familie Zeif kam. Der genaue Zeitpunkt ist jedoch nicht bekannt.

Auszug aus dem Grundbuch der Jesuiten - Gewährbuch Band 10, Seite 154 , 1805-1830


Erst durch das Jahrhundertwerk des franziszeischen Katasters, bei dem die Herrschaft Mauer im Jahr 1819 vermessen und parifiziert wurde, gab es erstmals eine Beschreibung unseres Grundstückes nach heutigen Anforderungen, die von jedermann nachvollzogen werden konnte. Die damals festgelegten Grundstücksgrenzen von vor über 200 Jahren, die eine für die damals zur Verfügung stehenden Mittel unglaubliche Genauigkeit (+/- 30cm) aufweisen, haben bis heute Gültigkeit und wurden seither nie abgeändert!


1810-1845

Bei der Vermessung im Jahr 1819 wurde unserem gegenständlichen Grundstück die Parzellennummer 844 zugewiesen. Der oben erwähnte Grund des Nachbarn Martin Asenbauer erhielt folgerichtig die Nummer 843.

Gemäß der ersten Eintragung im Grundbuch der Jesuiten, die sich auf die Parzelle 844 bezieht, wurden im Jahr 1810, wie bereits angeführt, ein Urenkel des oben genannten "Stammvaters" Peter Zeif namens Mathias Zeif und seine Frau Katharina Zeif im Zuge einer Erbschaft je zur Hälfte Eigentümer dieses Ackers mit Bäumen und Weinreben. Die Erblasserin ist im Grundbuch nicht genannt, war jedoch offenbar Mathias´Mutter Theresia Zeifin, die am 07.11.1809 verstorben war. Es wurden zwei praktisch idente Einträge (844 und 844/a) mit jeweils der Hälfte des Grundes erstellt, mutmaßlich um den Eigentumsverhältnissen des Ehepaares ("je zur Hälfte") gerecht zu werden. Das Grundstück wurde demnach mit einem Ausmaß von 2x337 = 674 Quadrat-Klafter entsprechend ca. 2421m² und einem Schätzwert von 2x100 = 200 Gulden, nach heutigem Wert etwa 4.800 Euro, angegeben. Zur Bemessung der Grundsteuer wurde dem Grundstück als Kulturgattung "Weingarten" und die nicht sonderlich hohe Ertragserwartung der Ertragsklasse III zugewiesen. Der behauste Grund, also der Wohnsitz von Mathias und Katharina Zeif, war in Mauer Nr.36 (heute Maurer Lange Gasse 84) und sie besaßen insgesamt sieben über ganz Mauer verstreute Gründe.


1845-1852, 1852-1866

Ein zu diesem Zeitpunkt noch unverheirateter Cousin von Mathias Zeif, der ebenfalls Mathias Zeif hieß und nach wie vor den von seinem Urgroßvater Peter Zeiff stammenden Stammsitz der Familie in Mauer Nr. 38 innehatte, kaufte seinem Cousin und dessen Frau den Überländgrund Parzellennummer 844 am 04. April 1845 um 2x50 = 100 Gulden ab. Als der neue Besitzer 1850 heiratete, überschrieb er seiner Frau Josefa Zeif laut Ehevertrag die Hälfte seines Grundbesitzes, also auch dieses Grundstückes. Diese Änderung wurde 1852 im Grundbuch eingetragen.

Die Praxis des Ehevertrages und der Überschreibung zur Absicherung des Ehepartners war damals gängige Praxis, da im Falle des Ablebens des Partners in der Regel nur Blutsverwandte erbberechtigt waren und Witwen in so einem Fall völlig mittellos geworden wären.


1866-1869

Offenbar geriet das Ehepaar Zeif jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, da der folgende Besitzübergang im Rahmen einer Lizitation (Versteigerung) erfolgte, deren Erlös jedoch nicht bekannt ist. Am 24. Juli 1866 wurden dadurch das quasi benachbarte Ehepaar Josef Au (1830-1868) und seine Frau Franziska Au (1834-1916), deren Wohnsitz in Mauer Nr. 32 (heute Maurer Lange Gasse 88) war, die neuen Eigentümer des Grundstückes, aufgrund eines 1856 geschlossenen Ehevertrages wiederum je zur Hälfte. Die weitverzweigte, aus Perchtoldsdorf stammende Familie Au besaß schon zuvor etliche Gründe in Mauer und erwarb in den 1860er Jahren auch noch weitere Liegenschaften in der Flur Liebeggen/Liebeck.


1868

Nachdem im Jahr 1848 das grundherrschaftliche System aufgehoben worden war, erfolgte mit einiger Verzögerung 1868 die Umstellung vom ehemals herrschaftlichen Grundbuch der Jesuiten auf ein kommunales Grundbuch, das damals vom Steueramt Hietzing geführt wurde. Wie auf der Abbildung unterhalb zu sehen, erhielt das Grundstück im Zuge dieser Umstellung statt der alten Nummer 844 die neue Parzellennummer 1405.

Die in ganz Mauer verstreuten Wiesen und Weingärten von Josef und Franziska Au, darunter auch die Parzelle 1405, wurden im neuen Grundbuch unter der Einlagezahl 421 zusammengefasst.

Franziszeischer Kataster von 1820, Parzelle 844

Franziszeischer Katasterplan von 1820, Parzelle 844

Katasterplan des Steueramtes Hietzing 1868, Parzelle 1405

Katasterplan des Steueramtes Hietzing von 1868, Parzelle 1405


1869-1916

Am 18.04.1869 wurde Franziska Au im Zuge der Erbschaft nach ihrem am 03.08.1868 verstorbenen Mann Josef auf Grund des 1856 geschlossenen Ehevertrages Alleineigentümerin der Einlagezahl 421 und damit auch der Parzelle 1405.


1909

Am 19.11.1909 beschloss der Gemeinderat von Mauer die Benennung der bis dahin unbenannten Verkehrsfläche, die südlich der Parzelle 1405 liegt, in "Anton-Kriegergasse" nach dem Kaufmann und Bürgermeister von Mauer, Anton Krieger (1828-1905).


1916-1926, 1926-1929

Am 27.06.1916 verstarb Franziska Au, daraufhin erbten ihre Söhne Josef und Karl Au die Grundstücke der EZ421 je zur Hälfte. Als 1925 auch Josef Au starb, wurde Karl Au im Zuge der Erbschaft Alleineigentümer. Diese Änderung wurde am 13.01.1927 im Grundbuch eingetragen.

Karl Au entschloss sich 1929 zum Verkauf der Parzelle 1405. Bei dieser Gelegenheit wurde die Parzelle geteilt, damit existierten nunmehr statt eines durchgehenden Grundstückes eines mit der Nummer 1405/1 an der heutigen Haymogasse (bis 1957 Promenadegasse), und eines mit der Nummer 1405/2 an der Anton-Kriegergasse, sowie ein Reststück mit der Nummer 1405/3 welches zur Abgabe als Straßengrund und öffentliches Gut an die Gemeinde Mauer vorgesehen war. 


1929-1949

Am 26.06.1929 verkaufte Karl Au, der zu dieser Zeit in der Maurer Lange Gasse 94 wohnte, das neu entstandene Grundstück 1405/2 im Ausmaß von 1.056m² mit der Adresse Anton Kriegergasse 24 um ÖS 11.280,00 (nach Wert von 2023 rund EUR 48.000,00) je zur Hälfte an Michael Danzinger, geb. 24.06.1887 in Oberreith (Pfarre Eibenstein an der Thaya) und dessen Frau Emma Danzinger(geborene Muschan), geb. 12.09.1898 in Wien. Das Ehepaar Danzinger hatte am 27.06.1925 in der Pauluskirche, Wien Landstraße, evangelisch geheiratet und wohnte zum Zeitpunkt des Grundstückskaufes in 1040 Wien, Mühlgasse 22. Informationen zu Michael Danzinger sind spärlich. Zwischen 1939 und 1942 war er wahrscheinlich Vorstandsmitglied der Chemischen Fabrik Wilhelm Neuber AG. Dafür spricht, dass seine Frau Emma nach seinem Tod im Wiener Adressbuch als Direktorenwitwe aufscheint.

Am 24. August 1929 wurde die Parzelle 1405/2 aus der Einlagezahl 421 herausgelöst und für dieses Grundstück die neue Einlagezahl 2334 eröffnet.

[Die angrenzende Parzelle im Ausmaß von 1.221m² mit der Nummer 1405/1, Adresse Haymogasse 91 (bis 1957 Promenadegasse), verkaufte Karl Au kurze Zeit später, am 30.08.1929, um ÖS 9.600,00 an das Ehepaar Wilhelm und Therese Dürnbacher. Auch dieses Grundstück erhielt eine neue Einlagezahl 2337. Das verbleibende Reststück 1405/3 im Ausmaß von 144m² wurde unentgeltlich als öffentliches Gut/Straßengrund an die Gemeinde Mauer abgegeben] 


Michael und Emma Danzinger ließen ein Haus errichten, das 1931 fertiggestellt und bezogen wurde. Als Baumeister fungierte der Architekt und Stadtmaurermeister Karl Danzinger, dessen Gewerbe in 1120 Wien, Pohlgasse 15, ansässig war. Der Baumeister verstarb 1930 noch vor Fertigstellung des Hauses. Ein mögliches Verwandtschaftsverhältnis von Karl Danzinger zu Michael Danzinger ist nicht verifizierbar.

Das Haus an der Adresse "Mauer bei Wien, Anton-Kriegergasse 24" erhielt am 22.01.1931 die Konskriptionsnummer 1153.



Auf der obenstehenden Luftaufnahme von Mauer aus den 1930er Jahren ist das damals brandneue Haus innerhalb des roten Rahmens zu sehen. Das Bild wurde von Norden aus aufgenommen, im Vordergrund ist die Kirche am Maurer Hauptplatz zu sehen. Unterhalb ist dieser Ausschnitt vergrößert dargestellt, die andere Straßenseite der Anton-Kriegergasse ist hier bis hinunter zur Breitenfurterstraße noch völlig unverbaut.


Die Erhaltung eines so großen Hauses war offenbar in jener politisch und wirtschaftlich alles andere als einfachen Zeit nur mittels Nebeneinnahmen möglich. Also suchte das Ehepaar Danzinger im März 1934 Mieter für die im ersten Stock gelegene Wohnung. Die Annonce, die Annehmlichkeiten wie "vornehme Wohnlage, Straßenbahn-, Autobus- und Waldnähe" pries, könnte heutzutage nach wie vor unverändert übernommen werden. Lediglich die "herrliche Fernsicht" ist durch hohen Baumbewuchs und weitere Bebauung in der Umgebung nicht mehr gegeben. Es sollte jedoch etwas dauern, bis Mieter gefunden waren, da die Annoncen bis in den Herbst 1934 regelmäßig geschalten wurden.

Neues Wiener Tagblatt vom 25.03.1934 


Am 11.10.1933 Jahre erfolgte im Grundbuch eine erneute Teilung des Grundstückes um der dem Flächenwidmungsplan geschuldeten Aufteilung von Bauland und Grünland gerecht zu werden. Seither wird der bebaute Teil als Parzelle 1405/6 geführt, der Gartenanteil hingegen behielt die bisherige Parzellennummer 1405/2.


Die NS- und Kriegszeit zwischen 1938 und 1945 überstand das Haus glücklicherweise unbeschadet, obwohl am 08. Februar 1945 ein Luftangriff amerikanischer Bomber, der der Luftnachrichtenkaserne am Georgenberg galt, etliche Häuser der damaligen Alleegasse (das ist der Teil der heutigen Anton-Kriegergasse oberhalb der Rodaunerstraße, also relativ nahe an unserem Haus) in Mitleidenschaft zog.

Und auch einige hundert Meter östlich, im Kreuzungsbereich der heutigen Anton-Kriegergasse mit der Straßenbahnlinie 60 (damals Hasnergasse) waren nach einem Angriff am 23.August 1944 einige Bombenvolltreffer zu beklagen.


Wie auf dieser Luftaufnahme vom 23.03.1956 zu sehen ist, waren in unmittelbarer Nähe unseres Hauses am Hadersberg insgesamt 14 Fliegerabwehrkanonen, nur etwa 100m entfernt, stationiert. Die Baracken der Mannschaften befanden sich im Gebiet der heutigen Wohnhausanlage in der Arabellagasse.

Diese Batterien kamen während der gesamten Kriegszeit etwa zehn mal zur Abwehr von amerikanischen Bomberverbänden zum Einsatz. Am 8.Juli 1944 gelang dieser Batterie der Abschuss eines viermotorigen Bombers "Flying Fortress" Boeing B17, dessen Rumpf im Bereich Siebenhirten aufschlug.

In den letzten Tagen der "Schlacht um Wien" wurden diese Stellungen am 05./6.April 1945 von russischen Granatwerfern vom Gießhübl aus unter Beschuss genommen und mussten in der Folge aufgegeben werden. Glücklicherweise hatte die russische Artillerie offenbar gute Schützen, dadurch blieb unser Haus unversehrt.



1949-1963

Relativ bald nach dem zweiten Weltkrieg starb Michael Danzinger am 10.03.1949. Das Ehepaar hatte keine Kinder, daher ging dessen Hälfte im Zuge der Erbschaft am 14.06.1949 an seine Frau Emma Danzinger über, eingetragen im Grundbuch am 15.10.1949.


Auf die Stadtentwicklung während der NS-Zeit (1938-1945) weist ein Adressbucheintrag aus dem Jahr 1950 von Emma Danzinger in Wien 25, Anton-Kriegergasse 24 hin. Die Bezirksangabe "25" verweist auf die extreme Vergrößerung Wiens zur NS-Zeit im Jahr 1938, als etliche niederösterreichische Gemeinden Groß-Wien einverleibt wurden und dieses insgesamt 26 Bezirke aufwies. Bis 1938 war Mauer noch eine eigenständige Gemeinde gewesen und gehörte nicht zu Wien. Im Jahr 1954 wurde die Erweiterung Wiens großteils wieder rückgängig gemacht. Einige Orte, darunter auch Mauer, verblieben jedoch weiterhin und bis heute bei Wien. Daher lautete eine Adressbucheintragung aus dem Jahr 1955 auf Wien 23, Anton-Kriegergasse 24. 

1957 wurde die Anton-Kriegergasse durch Einverleibung anderer Straßen, nämlich Hasnergasse, Dreiständegasse (hieß von 1934 bis 1957 Carl Vaugoin-Gasse) und Alleegasse (hieß bis 1911 Kastaniengasse) wesentlich verlängert. Am 01.04.1958 erhielt das Grundstück daher eine neue Hausnummer und die nunmehrige Adresse Anton-Kriegergasse 142.

Zur besseren Übersicht die Adressangaben im Laufe der Jahre:

  •  Bis     1909: unbenannte Verkehrsfläche/Weg in Mauer bei Wien in der Flur Liebeggen/Liebeck
  • 1909 - 1938: Mauer bei Wien, Anton-Kriegergasse 24
  • 1938 - 1954: Wien 25, Anton-Kriegergasse 24
  • 1954 - 1958: Wien 23, Anton-Kriegergasse 24
  • 1958 - heute: Wien 23, Anton-Kriegergasse 142

1963-1969

Am 17.06.1963 verkaufte Emma Danzinger das Grundstück samt Haus an Dr. Wilhelm Arthold (*09.11.1914 in Feldsberg/+31.07.2007 in Wien), damals als Generaldirektorstellvertreter der österreichischen Elektrizitätswirtschaft AG – Verbund und im Vorstand einiger Energiekonzerne ein hoher Funktionär, der von 1973-1974 auch Präsident des Verbandes der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ) war. Zuvor war er in leitender Stellung beim Industriebetrieb Schöller Bleckmann tätig. Ebenfalls war er Mitglied beim katholischen Cartellverband (Marco Danubia, Coleurname Willi). Im Grundbuch wurde der Kauf am 22.08.1963 eingetragen.


Ein Ausflug in die Kunstgeschichte

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass genau im selben Jahr 1963 Frau Emma Danzinger, als sie die Liegenschaft verkaufte, der österreichischen Galerie im Belvedere ein Bild als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte und der Galerie als Legat für den Fall ihres Todes vererbte, nach ihren eigenen Worten "im Gedenken an ihren [1949 verstorbenen] Mann Michael Danzinger".
Frau Danzinger zog also im Alter von 65 Jahren aus dem für sie allein mittlerweile zu großen Haus in eine Wohnung (1050 Wien, Kriehubergasse 16) und konnte das Bild dort offensichtlich nicht nutzen. Durch den Verkauf der Liegenschaft war sie zudem ab diesem Zeitpunkt finanziell unabhängig. Als sie am 14.03.1993 starb, ging das Bild daher in den Besitz der österreichischen Galerie über. Laut Todesfallaufnahme gab es auch keine Nachkommen von Emma Danzinger.

Die Leihgabe betraf jedoch nicht irgendein Bild. Vielmehr handelte es sich um das weltberühmte Klimt-Gemälde „Landhaus am Attersee“. Es war, so wie ihr gesamtes Vermögen, im Oktober 1938 unrechtmäßig der jüdischen Besitzerin Jenny Steiner, eine der reichsten Frauen Österreichs und begeisterte Kunstsammlerin, per Exekution entzogen worden [Jenny Steiners Cousin zweiten Grades war der legendäre amerikanische Zeitungsmagnat und Stifter des gleichnamigen Preises, Joseph Pulitzer]: zur Deckung der „Reichsfluchtsteuer“ für Jenny Steiner wurde das Gemälde durch das Finanzamt Innere Stadt Ost am 5. März 1940 einer Versteigerung im Wiener Dorotheum zugeführt, bei der Michael und Emma Danzinger dieses Bild erwarben. Nachdem es jahrzehntelang in der Anton-Kriegergasse 142 und wie oberhalb geschildert danach in der österreichischen Galerie im Belvedere ausgestellt war, wurde das Bild in einem aufsehenerregenden Verfahren 2001 den Erben der Jenny Steiner restituiert. Im Jahr 2003 erzielte es bei einer Auktion bei Sotheby´s in New York den Rekorderlös von über 29 Millionen Dollar, den höchsten Betrag, der bis dahin je für eine Gemälde von Gustav Klimt bezahlt worden war.
Entsprechend kürzlich vesteigerter Werke von Gustav Klimt würde heutzutage (2025) dafür jedenfalls ein dreistelliger Millionenbetrag erlöst.

Landhaus am Attersee, Gustav Klimt 1914

"Landhaus am Attersee" von Gustav Klimt, 1914


Von 1940 bis 1963 zierte dieses Kunstwerk jedenfalls das Wohnzimmer unseres Hauses. Seit 2018 ist es als Dauerleihgabe erneut im Wiener Belvedere (Kuss-Raum) zu bewundern.

1969-1974

Am 22./27.10.1969 verkaufte Dr. Wilhelm Arthold das Objekt an Andrea Agnes Maria Breuning (Fa. Breuning in Pforzheim, Schmuckfabrik), die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 17.02.1970.

Anfang der 1970er Jahre lebten in diesem Haus, mutmaßlich als Mieter, der Manager Felix Rotholz mit seiner Frau, der bekannten Schauspielerin Brigitte Neumeister (unter anderem spielte sie die Frau Turecek in der Fernsehserie Kaisermühlen Blues).

seit 1974

Am 03./10.05.1974 verkaufte Frau Breuning die Liegenschaft an Max Günsberg, die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 27.11.1974. Angeblich erfolgte der Verkauf im Zuge einer Insolvenz. Bis zum heutigen Tag ist die Liegenschaft nunmehr im Besitz der Familie Günsberg.

Anton-Kriegergasse 142 am 27.01.2004
Anton-Kriegergasse 142 am 15.11.2023