Umschulungslager Zürichhorn (Zürich)
Max Günsberg im Lager Zürichhorn rechts außen stehend
Schneiderlehre Schulungsunterlagen von Max Günsberg
Sein Fehlverhalten sollte jedoch dem vaterländischen Verband, einem rechtsbürgerlichen Verein, der einen sozialistischen Umsturz in der Schweiz fürchtete, Anlass geben, die Zustände in den Emigrantenlagern anzuprangern. Bei dieser Gelegenheit wurden von diesem Verband auch gleich Anschuldigungen wegen der im Lager angeblichen Gestattung von Vorträgen mit kommunistischer Tendenz eingebracht. Eine darauf erfolgte Anfrage der Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes wurde von der Zentralleitung der Arbeitslager folgendermaßen beantwortet:
"Wir bestraften Günsberg mit dem Entzug des Weihnachts- und Neujahrs-Urlaubes und einer vollständigen Ausgangssperre bis Ende Januar 1943- Wir hatten zuerst die Absicht, ihn sofort wieder in ein Arbeitslager zurückzuschicken, liessen dies jedoch nach einer Intervention durch den Lagerleiter und den Kursleiter wieder fallen, da Günsberg [als] einer der talentiertesten im Schneiderkurs gilt. Bei der Strafermässigung zogen wir auch in Betracht, dass Günsberg mit Ausnahme der ordentlichen Urlaube seit dem 2. November 1942 sich immer im Lager aufgehalten hat und bisher zu keinen Klagen Anlass bot.
Der Auffassung des Schweizerischen Vaterländischen Verbandes, dass es eine notorische Tatsache sei, dass die Emigranten aus dem Umschulungslager in Zürich ihre abendlichen Urlaube unwürdig verbringen, möchten wir entgegenhalten, dass wir auf unbedingte Disziplin Gewicht legen und dass uns bisher keinerlei Klagen, weder von Privatpersonen, noch von der Polizeibehörde zugegangen sind, mit Ausnahme des Falles Günsberg, die auf Uebelstände hindeutete."
Max Günsberg im Umschulungslager Zürichhorn, ganz links
Obwohl die Schneiderlehre sicher wesentlich weniger anstrengend als der Straßenbau war, wurde Max nun erneut sehr krank. Möglicherweise hatten ihm Nachrichten aus Wien entsprechend zugesetzt, der eingeatmete Staub beim Straßenbau und vor allem von den landwirtschaftlichen Maschinen (siehe Arbeitslager Locarno) tat wohl ein Übriges. Jedenfalls kam er am 12.03.1944 mit unbestimmten Beschwerden (…“er sei müde und schwitze an den Händen“…) zu Dr. Eggerling. Dieser konstatierte nach eingehender Untersuchung inclusive Röntgen und Blutsenkung eine Lungenkrankheit und empfahl die Unterbringung in einem Höhenkurort, voraussichtlich für drei Monate. Es entspann sich eine Kontroverse bezüglich der Kostenübernahme mit der Betriebskrankenkasse der Arbeitslager. Diese vertrat den Standpunkt, dass die Erkrankung wohl schon vor 8. April 1940 (ab da waren die Emigranten krankenversichert) bestanden haben müsse und die Krankenkasse nur zur Leistung verpflichtet sei, wenn die Erkrankung während des Arbeitsdienstes aufgetreten wäre. Ein Gutachten von Dr. Wyler vom VSIA am 19.04.1944 spricht jedoch eine andere Sprache, er empfahl nötigenfalls den Rechtsweg einzuschlagen, da ja im Befund vom März 1942 eindeutig schon ein "Verdacht auf Lungenaffektion" bestanden habe, Max aber dennoch wieder ins Arbeitslager einrücken musste.
Nachdem die Finanzierung letztendlich gesichert war, wurde der Übertritt nach Davos in die jüdische Heilstätte „Etania“ jedenfalls bewilligt und Max Günsberg kam am 04.05.1944 dort an.
Max kehrte zwar nicht mehr in das Umschulungslager Zürichhorn zurück, trotzdem erfolgte der formale Austritt erst am 27.10.1945, also erst eineinhalb Jahre nach seiner Einlieferung in Davos und damit schon lange nach Kriegsende.