Am 22.05.1940 kam Max Günsberg, begleitet von seinem Freund Nathan Wilder, mit dem er bereits gemeinsam von Österreich in die Schweiz geflüchtet war, vom Auffanglager Diepoldsau in das Arbeitslager Felsberg. Dort half er mit, die strategisch wichtige Straße von Felsberg nach Tamins anzulegen. In diesem Lager waren etwa 130, meist jüdische, Emigranten aus Deutschland und Österreich sowie etwa 10-15 Kommunisten untergebracht. Ein Leidensgenosse von Max Günsberg, Karl Schiffer aus Wien, schilderte das Lager so:
„Mein erstes Arbeitslager war Felsberg, ein Dorf im Kanton Graubünden. Wir waren dort rund 250 Mann, vorwiegend Österreicher, dazu noch Deutsche und wenige Jugoslawen. Wir arbeiteten am Bau einer Straße, parallel zur Hauptverkehrsader - offensichtlich ein militärstrategisches Vorhaben. Die meisten von uns hatten keinen manuellen Beruf ausgeübt in der Heimat, und wir taten uns in der ersten Zeit im Steinbruch, dann beim sogenannten Steinbettlegen, beim Hantieren mit Schaufel, Spaten und Vorschlaghämmern sehr schwer."
Das Steinbettlegen, also die Herstellung des Straßenuntergrundes, gab Max Günsberg in einem Brief an den VSIA als seine erste Tätigkeit in Felsberg an.
Die Internierten im Lager Felsberg auf dem Weg zur Arbeit
Hier dürfte Max Günsberg beim Straßenbau zu sehen sein, das Bild ist für eine definitive Zuordnung jedoch zu unscharf
Die Unterbringung der Emigranten war wohl nicht eben luxuriös, wie ein anderer Lagerinsasse im Lager Felsberg, Alexander Süss, beschrieb:
„Schlafen bestand aus Stroh auf dem Boden, einem gewöhnlichen Strohsack und mit einer Decke, was natürlich im Winter sehr sehr kalt war, denn wo immer wir waren, war es eine Baracke oder ein Haus, es war sehr sehr schlecht geheizt, daher sehr kalt. Und am Anfang hatten wir nicht einmal eine Waschgelegenheit. Wir mussten am Dorfbrunnen unsere Waschung vomehmen."
An die Verpflegung dort erinnerte er sich überhaupt mit Schaudern:
„Tee bestand aus Apfelschalen. Wir wuschen die Hände damit, er war untrinkbar.( ... ) Das Essen war sehr schlecht. Es war manchmal so schlecht, daß wir es unserem Hund gaben, der daran roch und einfach davonlief."
In einem Fragebogen gab Max Günsberg zum wiederholten mal seine vielfältigen Bemühungen an, eine Ausreise zu erwirken, zu den bereits weiter oben genannten ist in einem undatierten handschriftlichen Beleg von ihm ein Siedlungsprojekt in Argentinien und als Ausreiseland Philippinen genannt.
Max hätte aber lieber eine Berufsausbildung begonnen, wahrscheinlich um vielleicht doch noch irgendwann in Palästina ein neues Leben zu beginnen. Ein entsprechendes Gesuch wurde jedoch am 06.08.1940 abschlägig beschieden.
Und am 21.08.1940 eine Hiobsbotschaft aus Wien – sein Vater Setyk/Selig Günsberg war gestorben, er wurde nicht einmal 45 Jahre alt. Ab diesem Zeitpunkt war Max Günsberg als einziger Mann für seine Wiener Familie verantwortlich. Ich nehme an, dass die Sorge um seine geliebten kleinen Schwestern schwer auf seinen jungen Schultern lastete und er bezüglich einer selbstmörderischen Rückkehr nach Wien mit sich gerungen hat. Der 20-jährige musste notgedrungen also sehr schnell "erwachsen" werden.
Am 20.01.1941 erfolgte die Übersiedlung in ein anderes Arbeitslager: [„Nuovo Locarno“ im Tessin.]